Kaufen statt bücken - Selbstpflücker bleiben aus

Auf Mecklenburg-Vorpommerns Erdbeerfeldern werden die Früchte nicht überall abgeerntet

  • Jürgen Drewes, Gnoien
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Hauptsaison bei Erdbeeren nähert sich dem Ende. Bereits vor Jahren haben viele Landwirte darauf gesetzt, dass genügend Selbstpflücker kommen. Doch darauf kann man sich nicht mehr verlassen.

Erdbeerreihen soweit das Auge reicht. Die reifen Früchte hängen dicht an dicht an den Pflanzen auf dem Selbstpflückerfeld in Eschenhörn bei Gnoien im Landkreis Rostock (Mecklenburg-Vorpommern). Doch kaum jemand lässt sich blicken. »Ich weiß nicht, woran es liegt«, sagt Marlies Sprung, Mitarbeiterin des Obsthofes. Ausgerüstet mit Pflückschalen und Körben in verschiedenen Größen, einer Waage und einem Wassertank zum anschließenden Händewaschen wartet die Standbetreuerin vor dem Feld auf Kunden.

Angelegt hat die Plantage Steffen Schönemeyer. Bereits die Eltern des Inhabers vom Obsthof Eschenhörn haben auf das Selbstpflücken gesetzt. Mit außergewöhnlichem Erfolg. »Wir konnten uns vor Interessenten kaum retten. Die Autos standen hier Stoßstange an Stoßstange. Die haben uns sogar die Wirtschaftswege zugestellt«, hängt Schönemeyer vergangenen Zeiten nach. »Heute ist es mal zu heiß, dann wieder zu kalt oder zu windig. Und es ist auch ein Generationsproblem. Die, die immer gekommen sind, haben es im Rücken, können sich nicht mehr bücken. Und die Jüngeren zeigen kaum Interesse«, erklärt der Mittvierziger leicht resignierend. Auch der Chef der Obstgut GmbH in Rostock, Martin Czechl, bemerkt nachlassendes Interesse: Die Leute »holen sich die Erdbeeren lieber aus dem Laden«.

In Deutschland sind in diesem Jahr auf 14 000 Hektar Erdbeeren gewachsen. 2014 wurden von einer ähnlich großen Fläche 160 000 Tonnen geerntet. Tausende Erntehelfer vor allem aus dem Ausland waren dafür im Einsatz, während auf den Selbstpflückerplantagen viele Früchte hängen blieben.

Der Geschäftsführer im Bundesausschuss Obst und Gemüse des Deutschen Bauernverbandes, Jörg Disselborg, spricht von einem ständigen Auf und Ab. »Es gab Jahre, in denen mehr Erdbeeren in Ostdeutschland als in Westdeutschland selbst gepflückt wurden, dann war es wieder umgekehrt. Warum das so ist, haben wir nicht explizit analysiert. Fest steht aber, Erdbeeren auf Plantagen selbst zu pflücken hat nach wie vor Zukunft«, ist er sich sicher.

Zuversicht herrscht bei Karls Erdbeerhof in Rövershagen nahe Rostock. »Bei uns floriert das Selbstpflückergeschäft. Auf unseren drei eigens dafür angelegten Feldern sind täglich Hunderte Menschen unterwegs«, berichtet Marketingchefin Nadja Schriever. »Morgens kommen die Älteren, nachmittags viele Familien mit Kindern, darunter viele Urlauber«, sagt die Mitarbeiterin des mit 320 Hektar größten Erdbeeranbauers in Nordostdeutschland.

»Genau das ist auch unsere Erfahrung«, sagt der Gartenbauexperte der LMS Landwirtschaftsberatung Mecklenburg-Vorpommern, Rolf Hornig. »In Ferienregionen ist das Interesse am Selbstpflücken deutlich höher.« Die Zeiten allerdings, da Menschen badewannenweise Erdbeeren vom Feld getragen hätten, seien vorbei. »Damals wurden Erdbeeren noch für den Winter eingefroren, Marmelade gekocht. Das macht heute kaum noch einer«, meint er.

Dass das Selbstpflücken ein Auslaufmodell ist, glaubt auch der Dresdener Gregor Schulte nicht. Er pflegt seit Jahren die selbst-pfluecken-Internetseite, auf der sich Plantagenbesitzer bundesweit eintragen können. »Aktuell sind es fast 200. Wir haben seit Jahren mehr Anmeldungen als Abmeldungen.« dpa/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal