Unsere Griechen

Jenseits der Nachrichtenbilder: Björn Kietzmann war in Griechenland unterwegs

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Griechinnen und Griechen erleben eine bewegte Zeit. Seit sechs Monaten ist ihr Land im Umbruch, mit dem Referendum kam es auf den Straßen und Plätzen auch wieder zu Demonstrationen. Vom Alltag der Menschen liefert aber die Fotowelt der Medien ein eintöniges Bild. Zum Leben in Griechenland gehört mehr als Anstehen an Geldautomaten und Sitzen auf Parlamentssesseln.

Unsere Griechen«, titelte die Illustrierte »Spiegel«, die davon lebt, mal ein Nachrichtenmagazin gewesen zu sein, Anfang der Woche: Eine »Annäherung an ein seltsames Volk« wurde versprochen. Da tanzte ein Klischee-Hellene mit einem hässlichen Deutschen, doch was Karikatur sein sollte, wurde zum Zeugnis eines dominanten Bildes: das von »dem Griechen«, dem »die Deutschen« doch schon so viel von »unserem Geld« gegeben hätten. Und dann diese Undankbarkeit von diesem Yanis Varoufakis!
Es hat nach der Veröffentlichung vor allem im Netz eine kleine Welle der Empörung gegeben. Das Kolonialistische wollten viele nicht durch das Selbstironische kompensiert sehen. Jedenfalls fühlte sich der Chefredakteur Klaus Brinkbäumer aufgerufen, die Karikatur zu erklären: »Viele Deutsche verstehen Griechenland und seine Handlungen (...) nicht. Vielleicht liegt das an den Griechen, vielleicht an der griechischen Regierung, vielleicht liegt es aber auch an den Deutschen oder jedenfalls daran, dass es in Deutschland ein schiefes Griechenland-Bild gibt.«

Das existiert freilich nicht von allein, es wird hergestellt, zugerichtet, reproduziert. Werkzeuge dabei sind: die hanebüchene Umfrage, die nur die Wahl zwischen Merkel-Gefolgschaft und Grexit-Votum lässt und die Schlagzeile produziert, 70 Prozent hierzulande stünden an der Seite der Kanzlerin. Das Bild wird gemacht von Zeitungen, die vor dem Griff in die rassistische oder imperialistische Mottenkiste nicht zurückschrecken. Durch Politiker, die sich breitbeinig vor die Kamera stellen und sagen, die Griechen hätten »jetzt genug genervt«. Man möchte sich diese Leute nicht in Stiefeln vorstellen.
Es gibt noch eine andere Zurichtung des Griechenland-Bildes. Eine, die nicht so laut ist, nicht so aggressiv, so verachtend, nicht so deutsch. Doch auch sie prägt, wie sich eine Mehrheit vorstellt, wer als »Bittsteller« und wer als »Gönner« zu gelten hat im Konflikt um die Krisenpolitik. In den Nachrichtenagenturen existiert Griechenland nur noch mit dem Zusatz »pleitebedroht«. Die Kreditvereinbarung, aus der alte mit neuen Schulden beglichen werden, ist ein »Hilfsprogramm«. Und nie hat die SYRIZA-geführte Regierung angeblich Vorschläge vorgelegt. Es wird einfach weitererzählt, niemand fragt einmal nach.

Zu den subtileren Werkzeugen, mit denen das Griechenland-Bild zugerichtet wird, gehören nicht zuletzt die Fotos. Zeitungen sind meist auf Angebote der Agenturen angewiesen – es ist vor allem ein nachrichtliches. Im Grunde gibt es: Politiker vor Fahnen. Abgeordnete im Parlament. Und Euros vor Fahnen, um »die Krise« darzustellen. Das erschöpft sich schnell als Symbolbild.

Vor allem aber: Die griechische Bevölkerung wird in dieser allgegenwärtigen Fotowelt zum Anhängsel eines Problems, das »die Deutschen« betrifft, weil es ja angeblich um »unser Geld« geht. Es sind nicht die Menschen dort, die das Bild bestimmen. Sondern die Kulissen, in denen sie sich wie Statisten bewegen: Griechen laufen vor Banken vorbei, Griechen laufen vor Krisen-Graffiti vorbei, Griechen tragen EU-Fahnen auf Demonstrationen.

Der Fotograf Björn Kietzmann war dieser Tage in Griechenland, er hat beobachtet, wie die Menschen das Referendum erlebt haben, und Fotos mitgebracht, die anderes erzählen als jene, die sonst in den Zeitungen stehen.

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