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Mobilisieren: ja, diskutieren: nein

Studie: Protestbewegungen nutzen soziale Netzwerke nicht als Forum für inhaltliche Debatten / Forscherin Kneuer skeptisch: »Potenzial wird wohl auch in Zukunft nicht genutzt«

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Soziale Medien dienen nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Marianne Kneuer nicht als Forum für inhaltliche Debatten in Protestbewegungen. »Aktivisten nutzen Social-Media-Kanäle, um effektiv und schnell große Menschenmassen zu mobilisieren. Das funktioniert erfolgreich sowohl für virtuelle Proteste als auch für Aktionen auf der Straße«, sagte die Hildesheimer Politik-Professorin dem Evangelischen Pressedienst.

In einer neuen Studie hat sie die Online-Kommunikation in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter in mehreren Protestbewegungen untersucht. Viele dieser Bewegungen starteten mittlerweile im Internet, erläuterte Kneuer. Prominente Beispiele seien die Proteste gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP, der Arabische Frühling oder die Occupy-Proteste im Zuge der Finanzkrise in mehreren Ländern. Es liege oft an Zufällen, ob und wann die Online-Aktionen auch im realen Leben sichtbar würden, beispielsweise in Form von Straßenblockaden. »Dann befeuern sich Online- und Offline-Proteste gegenseitig.«

Demokratische Hoffnungen auf internationale Diskurse, an denen viele Menschen auf einfache Weise teilnehmen können, hätten sich weitestgehend nicht erfüllt, erläuterte Kneuer. »Obwohl das Internet ein grenzüberschreitendes Forum der Vernetzung und Konnektivität bietet, ist kein internationaler Kommunikationsraum entstanden.« Die Nutzer von sozialen Medien diskutierten nur sehr wenig auf den Plattformen. »Und wenn sie doch einmal Postings kommentieren, dann geht es ganz überwiegend um nationale Themen oder zumindest um nationale Aspekte eines Themas.«

Auch online bilde sich schnell eine Hierarchie in einer Bewegung heraus, sagte Kneuer. »Zwar kann jeder Nutzer etwas posten, aber einige wenige dominieren. Sie posten besonders viel und prägen die Entwicklung der Gruppe. Sie sind die inhaltlichen Impulsgeber.« Verstärkend wirke, dass Journalisten diese Meinungsführer häufig durch Interviews und Berichte auch in den klassischen Medien prominent machten.

Obwohl soziale Netzwerke noch ein relativ junges Medium seien, sei nicht zu erwarten, dass sich ihre Funktion für Protestbewegungen in den kommenden Jahren verändern werde. »Das Potenzial für demokratische Debatten wird wohl auch in Zukunft nicht genutzt«, prognostizierte Kneuer. Der Trend gehe stattdessen dahin, soziale Medien auch bei politischen Themen für eine immer schnellere und anspruchslosere Kommunikation zu benutzen. epd/nd

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