Das doppelte Spiel der Grünen

Die Ökopartei hat den Widerstand gegen die von der Koalition geplanten Verschärfungen des Asylrechts eingestellt

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Bundestag haben die Grünen trotz einiger kritischer Anmerkungen den Kompromiss in der Flüchtlingspolitik grundsätzlich gelobt. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Haltung der Partei.

Wenn in diesen Tagen über Verschärfungen des Asylrechts diskutiert wird, reagieren führende Politiker der Grünen zwar empört über einzelne Maßnahmen, äußern aber auch Verständnis für die zu erwartende Zustimmung ihrer Parteikollegen aus den Ländern im Bundesrat. Sie wollen sowohl die grüne Seele streicheln als auch die Kompromissbereitschaft ihrer Partei unterstreichen.

Auch Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt beherrscht dieses doppelte Spiel. Bei den ersten Beratungen des Bundestags zu den geplanten Gesetzesänderungen in der Flüchtlingspolitik lobte sie grundsätzlich die Vereinbarungen von Bund und Ländern. Als »positiven Punkt« nannte Göring-Eckardt den »Beschäftigungskorridor« für Menschen vom westlichen Balkan. Zudem werde es mehr Geld für Länder und Kommunen geben. Erst am Ende ihrer Rede kam Göring-Eckardt auf die vorgesehenen Einschränkungen des Asylrechts zu sprechen. Kosovo, Albanien und Montenegro sollen als »sichere Herkunftsstaaten« deklariert werden, um Menschen von dort, darunter auch verfolgte Roma, schneller abzuschieben. Göring-Eckardt fragte, ob Kosovo tatsächlich sicher sei, obwohl dort 700 Bundeswehrsoldaten stationiert seien.

Bei einem Pressegespräch, das zeitlich parallel zur Bundestagsdebatte stattfand, sprach der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, angesichts der im Bundesrat notwendigen Mehrheiten für das Gesetzespaket von einer informellen schwarz-rot-grünen Koalition. Die geplanten Gesetzesänderungen seien das Gegenteil von dem, wofür die Grünen bislang eingetreten seien, monierte Burkhardt.

Die Wandlungsfähigkeit der Ökopartei dürfte damit zusammenhängen, dass einige ihrer Abgeordneten zurzeit gemeinsam mit Unionsvertretern versuchen, mittelfristig ein schwarz-grünes Bündnis vorzubereiten. An diesen Gesprächskreisen nehmen auch Konservative teil, die sich abfällig über Flüchtlinge äußern. Dazu zählt Faktionsvize Thomas Strobl. Der CDU-Mann schwärmte im Bundestag von den geplanten Maßnahmen, welche Asylbewerbern das Leben erschweren: Die Ausgabe von Sachleistungen statt Bargeld, die Verlängerung des Verbleibs in Erstaufnahmeeinrichtungen von drei auf maximal sechs Monate und drastische Leistungskürzungen für abgelehnte Asylbewerber. Die Aussage Strobls, dass Flüchtlingen klargemacht werden müsse, dass »bei uns nicht der Prophet, sondern das Parlament die Gesetze macht«, war wohl auch eine Botschaft an die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung, die gegen eine angebliche »Islamisierung des Abendlandes« demonstriert.

Die Linkfraktion lehnte die vorgesehenen Gesetzesänderungen ab. Ihre Abgeordnete Ulla Jelpke sprach sich stattdessen für eine »offene und gerechte Asyl- und Aufnahmepolitik« aus. »Als finanzielle Basis brauchen wir eine sozial gerechte Politik und eine effektive Besteuerung des Reichtums«, forderte Jelpke. Es müsse mehr Geld in den Bereichen Integration, Unterbringung, Bildung und Arbeit investiert werden. Die Linksfraktion hatte hierzu einen eigenen Antrag im Parlament vorgelegt.

Ebenso wie die LINKE bewerteten Amnesty International und Pro Asyl die geplanten Leistungskürzungen als verfassungswidrig. »Durch Leistungsverweigerungen sollen Menschen aus dem Land herausgetrieben werden«, kritisierte Günter Burkhardt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz von 2012 sind Kürzungen des soziokulturellen Existenzminimums aus migrationspolitischen Erwägungen nicht zulässig.

Angesichts der Stimmungsmache hierzulande ist es wenig verwunderlich, dass der Europarat nun »eine besorgniserregende Zunahme von Fremdenfeindlichkeit in Deutschland« festgestellt hat. Das Klima für Muslime, Juden und andere Bevölkerungsgruppen sei feindseliger geworden, heißt es in einem Bericht des Europarats-Ausschusses für Minderheitenschutz. Die Untersuchung deckt den Zeitraum 2010 bis Frühjahr 2015 ab. Alarmierend seien demnach unter anderem die zahlreichen Pegida-Demonstrationen.

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