Reibungsloser Routenwechsel

Nach Ungarns Grenzschließung ermöglicht Slowenien Flüchtlingen den Transit

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einer erneuten Westverschiebung der Balkanroute gelangen Geflüchtete nun über Slowenien nach Österreich und Deutschland - solange die EU-Partner ihre Grenzen offen lassen.

Die unfreiwilligen Gastgeber zeigten sich auf ihre Rolle als neues Transitland auf der Balkanroute vorbereitet. In Großraumzelten wurden am Wochenende an den drei slowenischen Grenzübergängen Petisovci, Gruskovje und Sredisce ob Dravi die ersten, aus dem nahen Kroatien per Bus und Zug an die Grenze gelangten Neuankömmlinge registriert.

Am Samstag vermeldeten Sloweniens Medien insgesamt 2700 eingereiste und registrierte Flüchtlinge, die in das Übergangslager in Sentilj unweit der Grenze zu Österreich überstellt worden seien: In der Steiermark und in Kärnten wurden nach der relativ reibungslosen Westverschiebung der Balkanroute bereits am Samstag mehrere hundert aus Slowenien einreisende Flüchtlinge registriert.

Stacheldrahtrollen läuteten hingegen in der Nacht zum Samstag bei Zakany die endgültige Abriegelung von Ungarns grüner Grenze zu Kroatien und das vorläufige Ende des Flüchtlingstransits durch den Donaustaat ein. Nach der Fertigstellung von Ungarns umstrittenem Grenzzaun zu Serbien Mitte September waren im zurückliegenden Monat rund 170 000 Flüchtlinge über Kroatien nach Ungarn und Österreich gelangt. Die von Budapest forcierte Umleitung der Balkanroute hatte zu starken Spannungen und der zeitweiligen Sperre der Grenzübergänge zwischen Kroatien und Serbien geführt.

Bei der erneuten Routenänderung scheinen die Transitländer Kroatien und Slowenien hingegen um eine sehr enge Kooperation bemüht: Kroatische Reporter berichteten am Wochenende, dass sich sowohl der Abfahrtstakt der aus dem Grenzgebiet zu Serbien in Richtung der slowenischen Grenze fahrenden Flüchtlingszüge als auch die Verteilung der Flüchtlinge auf die dafür bestimmten Grenzübergänge offenbar nach den aus Slowenien erhaltenen Vorgaben richte. Bis jetzt gehe alles »gut vonstatten«, so eine Sprecherin des UN-Flüchtlingswerks UNHCR: Anders als andere Länder habe Slowenien aber auch »Zeit zur Vorbereitung« gehabt.

Zwar wird in den Wintermonaten von den Transitstaaten an der Balkanroute mit einem Nachlassen des Flüchtlingsandrangs wegen des schwierigeren Passierens der Ägäis gerechnet. Doch ob sich die von Slowenien den kroatischen Nachbarn übermittelte Vorgabe von rund 2500 Flüchtlingen pro Tag halten lassen kann, scheint angesichts der wesentlich höheren Zahlen in den letzten Wochen eher zweifelhaft. Der Alpenstaat hat sich selbst denn auch für einen größeren Andrang gewappnet: Die geschaffenen 8000 Aufnahmeplätze in den provisorischen Lagern gelten als Maximum der Zahl an Flüchtlingen, die das EU-Mitglied täglich beherbergen kann.

Am Wochenende rollten ungarische Grenzschützer provisorisch Stacheldraht an der eigentlich nicht mehr überwachten Grenze zum Schengen-Partner Slowenien aus. An eine Errichtung von Grenzzäunen nach ungarischem Vorbild wird in Ljubljana und Zagreb hingegen bislang weiter nicht gedacht - zumindest nicht, solange Österreich und Deutschland die hindurchziehenden Flüchtlinge weiter aufnehmen. Slowenien sei »nicht im Notzustand, wir wollen kein Europa der Mauern«, bekräftigte am Wochenende Premier Miro Cerar vor der Presse.

Slowenien werde seine Grenze nicht schließen, solange Deutschland seine Grenze nicht schließe, so Kroatiens Außenministerin Vesna Pusic. Sollte sich Deutschland jedoch für die Flüchtlinge abriegeln, werde dies auch Kroatien tun: Dazu gebe es »keine Alternative«.

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