Merkel will es schaffen

Die Kanzlerin verteidigt ihre Asylpolitik gegenüber Kritik aus den eigenen Reihen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutschland kann die Flüchtlingskrise meistern - davon ist die Kanzlerin weiterhin überzeugt. Die SPD stärkt ihr den Rücken und fordert für die Integration ein Investitionspaket von 20 Milliarden Euro.

Der Druck auf die Kanzlerin, sie möge in der Flüchtlingskrise endlich ein Machtwort sprechen, wird immer größer. Ex-BND-Chef August Hanning etwa forderte in der »Welt am Sonntag«: Merkel solle erklären, »dass die Aufnahmekapazitäten in Deutschland - bis auf Weiteres - erschöpft sind«. Im Unionslager wird die Kritik an Merkels angeblich zu passiver Haltung immer schärfer. Nicht nur an der Basis. Selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht auf Distanz zur Chefin. Und die Kanzlerin? Sie stellte sich am Montag den Fragen von ausgesuchten Teilnehmern im Rahmen des Bürgerdialogs. Während der anderhalbstündigen Fragerunde in einer Nürnberger Jugendherberge warb die Kanzlerin für ihre Haltung. Mit Blick auf die Flüchtlingszahlen räumte sie ein: »Ja, es sind sehr, sehr viele. Aber wir sind 80 Millionen. Wir können und werden diese Integration schaffen.« Dafür müsse man den Menschen vom ersten Tag an »klar und freundlich« sagen, welche Regeln in Deutschland gelten. Zudem machte sich deutlich, dass viele Flüchtlinge nach Ende der Kämpfe in ihr Heimatland zurückkehren werden. »Viele wollen dann auch Syrien aufbauen, dabei können wir sie unterstützen«, so die Kanzlerin.

Merkel wehrte sich gegen die Vorwürfe, sie hätte die Flüchtlinge herbeigerufen, als sie Anfang September die in Ungarn festsitzenden Menschen nach Deutschland durchreisen ließ. Man müsse eher über die Ursachen der Flucht reden, so die Kanzlerin und verwies auf die schlechten Lebensbedingungen der Syrer in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer. Man müsse »dort mehr Geld einsetzen, damit nicht alle zu uns kommen«. Außerdem habe sie bei ihren Reisen nach Serbien und Albanien gegenüber den dortigen Medien mit Blick auf Asylsuchende betont: »Ihr habt keine Chance!«. Diese klare Ansage an die verarmten Balkanbewohner klang so gar nicht nach der »Kanzlerin der Herzen«, zu der sie die »FAZ« jüngst kürte. Auch ihre Aussagen, wonach Asylbewerber konsequent zurückgeführt würden und man dafür mehr Personal bereitstellen werde, wirkten eher wie ein Versöhnungsangebot an Horst Seehofer. Doch in der Union grummelt es trotzdem weiter und so mancher prophezeit Merkel ein baldiges Ende als Parteivorsitzende.

Dafür stärken die Sozialdemokraten ihrer Regierungschefin erneut den Rücken. SPD-Vize Ralf Stegner knüpfte den Fortbestand der Großen Koalition gar an ein Beibehalten des Kurses in der Flüchtlingspolitik. »Die SPD sagt mit Angela Merkel: Wir schaffen das«, unterstrich Stegner in einem Interview mit der »Welt«. Zudem plädierte er für ein Investitionspaket in Höhe von 20 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. »Wir müssen für die kommenden Jahre einen zweistelligen Milliardenbetrag zusätzlich für Bildung, Integration und Infrastruktur mobilisieren.« Diese Investitionen, so Stegner, »würden zum Konjunkturpaket für ganz Deutschland«. Er forderte zudem, das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts aufzugeben. Eine Kampfansage an den Bundesfinanzminister und seinen Fetisch der Schwarzen Null. Die Reaktion aus dem Ministerium folgte prompt: Schäubles Sprecher Martin Jäger sagte am Montag: »Kein Flüchtling wird auf der Strecke bleiben, nur damit wir die Schwarze Null halten.« Dies heiße aber nicht, dass das Ziel einer Schwarzen Null bereits aufgegeben worden sei.

Unterdessen stieg die Zahl der Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze wieder stark an. Am Wochenende kamen nach Angaben des bayerischen Innenministeriums rund 15 000 Menschen über die Grenze. In den kommenden Tagen erwarten die Fachleute des Ministeriums weiter »ungebremst hohen Migrationsdruck«. Mit Agenturen

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