» ... manchmal auch sehr schrill«

Mit einer opulenten Festschrift feiert Sachsens LINKE Silberhochzeit in der Opposition

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 25 Jahren stellt die heutige LINKE eine Fraktion im sächsischen Landtag, die längste Zeit als stärkste Oppositionskraft. Ein umfangreiches Buch blickt zurück - und formuliert Wünsche.

Würden Regierungsämter in Sachsen auf der Basis von parlamentarischem Fleiß verliehen - die LINKE müsste längst am Kabinettstisch vertreten sein. Seit einem Vierteljahrhundert ist sie ununterbrochen im Landtag vertreten; in dieser Zeit sind für ihre Abgeordneten 25 150 Aktivitäten, vom Gesetzentwurf bis zu Kleinen Anfragen, verzeichnet. Die derzeitigen Koalitionsfraktionen CDU und SPD sind mit gut 15 600 Aktivitäten selbst zusammen von solcher Zahl meilenweit entfernt.

Fleiß ist freilich nicht das entscheidende Kriterium; den Ausschlag geben die Gunst der Wähler - und jene der potenziellen Partner für eine Koalition. Zum Mitregieren hat es für die Genossen in Sachsen, anders als in allen anderen ostdeutschen Bundesländern, deshalb bis jetzt nicht gereicht. Also feiern sie am Freitag bei einer Festveranstaltung samt Tanzvergnügen »Silberhochzeit in Opposition«. Die Formulierung stammt aus einem Buch, das aus Anlass des Jubiläums bereits heute Abend offiziell präsentiert wird und nicht nur wegen seiner mehr als 400 Seiten Umfang als gewichtiger Beitrag zur Geschichte linker parlamentarischer Politik im Freistaat gelten darf.

Anhand von Interviews und Porträts, gut lesbaren Analysen und Redemanuskripten, die Bernd Rump als lenkender Kopf für die Festschrift zusammengetragen hat, lässt diese, wie es der Titel verspricht, 25 Jahre »Opposition im Wandel« Revue passieren. Die ersten Abgeordneten und Mitarbeiter hatten, wie sich die langjährige Fraktionsjuristin Rosemarie Jarosch erinnert, zwar theoretisches Wissen über Parlamente in bürgerlichen Staaten; mit der Praxis aber waren sie »nicht vertraut«. Das änderte sich schnell. Die PDS behauptete sich, richtete sich im Parlament ein - und nutzte die »Aussichtslosigkeit« in Sachen Beteiligung an einer Regierung, um derweil kreative »Spielwiesen« zu erobern, wie sich der Journalist Michael Bartsch erinnert. Dazu gehörte die von jungen Abgeordneten propagierte Idee einer »außerparlamentarischen Opposition im Parlament« (APOIP). Insgesamt hätten die Genossen ihren politischen Auftrag angenommen und Regierung wie parlamentarische Mehrheit »herausgefordert«, lobt der langjährige Landtagspräsident Erich Iltgen in einem Grußwort - »wenn manchmal auch sehr schrill«, fügt der CDU-Mann an.

Spätestens, als die PDS im Jahr 1999 erstmals stärkste Kraft in der Opposition wurde, hielt indes eine neue Ernsthaftigkeit Einzug. Man habe sich in der neuen Rolle des Oppositionsführers als »Regierungsalternative und Gegenmacht« verstanden, schreibt der Ex-Abgeordnete Heiko Hilker. Ein Ausdruck davon waren neue Akzente in der Finanzpolitik. Die sächsische Fraktion sorgte mit dem von ihrem Cheffinanzer Ronald Weckesser propagierten Konzept eines »schuldenfreien Sozialismus« auch in der Partei für Furore. Mit dem 2004 vorgelegten Konzept zur Landesentwicklung namens ALEKSA haben die Sachsen nach Einschätzung von Thomas Falkner erstmals die Landespolitik als »politische Ebene mit eigenen Möglichkeiten« entdeckt, nachdem man in der PDS bis dahin nur wahlweise die Kommunen oder den Osten insgesamt im Blick hatte.

Derlei konstruktive politische Initiativen dürften dazu beigetragen haben, dass sich das Verhältnis zu SPD und Grünen entspannte - im Laufe langer Jahre, wie vier Interviews mit den Fraktionschefs Klaus Bartl, Peter Porsch, André Hahn und Rico Gebhardt nachvollziehen lassen. Kurzzeitig schien es Mitte 2013 sogar, als würde die CDU ihre Blockadehaltung aufgeben: Um die Schuldenbremse in der Verfassung verankern zu können, hatte sie auch die LINKE zu Gesprächen hinzugezogen. Seit der Wahl 2014, klagte Gebhardt dieser Tage, sei die Mehrheitsfraktion aber wieder in den »rhetorischen Kalten Krieg« zurück gefallen.

Dass dies eine wenig erquickliche Situation ist - daraus macht man kein Geheimnis. »Irgendwann muss ein Sieg her«, schreibt der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer in dem Buch: Nur »hin und wieder ein Schnippchen schlagen zu können, das verschafft keine Genugtuung.« Und auch Michael Bartsch, versierter Beobachter der Landespolitik, merkt an, dass Visionen und Alternativen von den Genossen in den ersten drei Wahlperioden »mit größerer Leidenschaft als heute« erarbeitet worden seien. Er äußert seine Hoffnung auf eine Art »Thüringer Inpflichtnahme« auch im benachbarten Freistaat: Das, glaubt er, »täte auch Sachsen einschließlich seiner LINKEN gut«.

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