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Geheimnisse der Pillenwelt

Patrick Brosi zweifelt an der Redlichkeit von Enthüllungen im Internet

Über keine andere Wirtschaftsbranche dürften die Meinungen weiter auseinandergehen als über die Pharmaindustrie. Für die einen sind die Pillenfirmen geldgierige Haie, die aus der Krankheit der Menschen auch noch Profit schlagen.


Patrick Brosi: Der Blogger. Kriminalroman.
Emons Verlag. 456 S., br., 14,95 €.


Man denke nur an das Extrembeispiel der derzeit besonders erfolgreichen Biotechfirma Gilead Sciences, die anfangs fast 100 000 Dollar für eine Zwölf-Wochen-Therapie mit dem Hepatitis-C-Medikament Harvoni kassierte, bei Herstellungskosten von 250 Dollar. Für andere, insbesondere Patienten und ihre Angehörigen, sind solche Hersteller dagegen Schicksalserleichterer oder gar Lebensretter. Das glaubt so mancher in den Führungsetagen von Pharmaunternehmen vermutlich ebenfalls.

Krimi-Autor Patrick Brosi greift in seinem neuen Roman »Der Blogger« dieses Motiv auf und treibt es auf die Spitze. Wohin könnte es führen, wenn sich ein Unternehmen selbst als Retter der Menschheit sieht? Wie weit würde dieses im Geschäftsinteresse wohl gehen?

Dabei beginnt das Buch wie ein klassischer Thriller über die geheimen Seiten der Konzernwelt. Ein prominenter Blogger, der im Internet publik machte, dass eine Pharmafirma Studien über gefährliche Nebenwirkungen eines ihrer Medikamente verschwiegen hatte, verschwindet auf rätselhafte Weise bei einer Bootstour auf einem See im Schwarzwald. Die im Dunkeln tappende örtliche Polizei macht sich vor allem Sorgen, dass Touristen ausbleiben könnten, und übt sich in sinnlosem Aktionismus wie weiträumigen Straßensperren. Auf die Spur eines rätselhaften Geschehens kommt dagegen eine Amateurjournalistin, deren Privatleben und Universitätskarriere gerade einem Scherbenhaufen gleichen. Nur deshalb ist sie auf die Bitte des Chefredakteurs eines wenig erfolgreichen Berliner Onlinemagazins eingegangen, vor Ort zu recherchieren, woran der Blogger gerade arbeitete. Ihre Recherchen führen sie nicht nur zu verschiedenen Techtelmechteln, sondern auch zu einem Whistleblower aus einer Baseler Pharmafirma, zu einem Treffen mit einer für Normalsterbliche unnahbaren Konzernchefin, und sie gerät in die Fänge professioneller Killer ...

Brosis Roman kommt allerdings nur wie eine straighte Aufklärungsstory à la John Grisham daher. Tatsächlich sind die verschiedenen Handlungsstränge nicht das, wonach sie zuerst aussehen. Vieles ist von langer Hand vorbereitet. Und auch einige der Hauptpersonen spielen nur Rollen, um ihre wahren Ambitionen zu verschleiern oder machen im Laufe der Handlung eine Metamorphose durch. Und einige Akteure sind gute Kunden der Pharmabranche - sie konsumieren regelmäßig Tabletten, um Stress zu bewältigen, um gut drauf zu kommen oder weil sie tatsächlich schwer krank sind.

Im Roman kommt nicht nur die Pillenwelt äußerst schlecht weg. Auch dienen das Bloggen und das Leaken von Firmengeheimnissen nicht dem Prinzip der Aufklärung. Selbst journalistische Enthüllungen sind nicht mehr das, was sie mal waren.

Mehr Licht ins Dunkel bringt vor allem der eigenwillig ermittelnde, gealterte Kriminalkommissar, der mit seinem Lone-Wolf-Vorgehen und seinem grüblerischen Wesen sicher nicht zufällig den Helden skandinavischer Krimis aus den 1990er Jahren ähnelt. Auch dies ist mehr ein Stilmittel und eine Anspielung - letztlich bringen die Erkenntnisse des Kommissars nur den Leser weiter.

»Der Blogger« ist trotz der düsteren Botschaft ein locker, frisch und modern geschriebener Roman. Kein Wunder, denn er ist das zweite Buch des Autors. Patrick Brosi, 1987 in Backnang bei Stuttgart geboren, arbeitet im wirklichen Leben bei einem Geodaten-Start-up in Freiburg, auf dessen Homepage es über ihn heißt: »Unser Mitarbeiter schreibt nicht nur super Software, sondern ab und zu auch einen Krimi.« Derzeit entwickelt er übrigens ein »Debugging-Tool für Query-Pläne für Ferry und Pathfinder«. Was auch immer dies sein mag - mit Pillen hat es jedenfalls nichts zu tun.

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