Noch korrupter als gedacht

Der DFB soll Sepp Blatters Wiederwahl finanziert haben. Die EM 2024 will er um jeden Preis

Erstaunlich lang war es still im Skandal um den Deutschen Fußball-Bund, den Weltverband und die Weltmeisterschaft 2006. Vor zwei Monaten wurde die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro vom DFB an die FIFA aus dem Jahr 2005 öffentlich. Seitdem kursieren verschiedene Versionen von der Verwendung des Geldes. Das blieb auch nach der Aufnahme von Ermittlungen durch die Frankfurter Staatsanwaltschaft und dem Rücktritt von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am 9. November so. Umso lauter fand der Skandal am Dienstag den Weg zurück in die Öffentlichkeit. Die 6,7 Millionen Euro sollen im Auftrag des DFB über den damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus an die Finanzkommission der FIFA geflossen sein, um damit 2002 die Wiederwahl von Präsident Joseph Blatter zu finanzieren. So soll es Niersbach gesagt haben - in den Vernehmungen durch die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die der DFB mit der internen Aufarbeitung der Vorgänge beauftragt hat. Veröffentlicht wurden Niersbachs Aussagen von der »Bild«, die aus den Vernehmungsprotokollen zitiert.

Nach Niersbach Erinnerung soll Franz Beckenbauer nach Blatters Wiederwahl 2002 beim FIFA-Kongress in Seoul gesagt haben: »Der ist auch mit meinem Geld gewählt worden.« Laut »Bild« soll Stefan Hans, damaliger Vize-Generalsekretär des DFB, dies mit ähnlichen Äußerungen bestätigt haben. Spätestens jetzt dürfte das einst so starke Band der Freundschaft zwischen Niersbach und Beckenbauer durchtrennt sein. Schon Ende Oktober kamen beide nicht mehr zusammen, als Beckenbauer eine gemeinsame Pressekonferenz abgelehnt hatte.

Aus der gemeinsamen Sache ist ein Kampf jeder gegen jeden geworden, nur die eigene Rettung zählt noch. Das gilt auch für den Dritten in diesem Bunde: Joseph Blatter. Der suspendierte FIFA-Präsident widersprach von Beginn an der Version aus Deutschland. Nachdem die Macher der WM 2006 und der DFB ob der erdrückenden Beweislast mehr als Dementis liefern mussten, einigten sie sich auf folgende Sprachregelung: »Die FIFA hat 2002 für einen späteren Organisationszuschuss von 250 Millionen Schweizer Franken eine Zahlung von zehn Millionen Schweizer Franken (6,7 Millionen Euro) verlangt.« Als »absurd« bezeichnete Blatter diese Darstellung. Der Zuschuss für die WM 2006 sei »an keinerlei Bedingungen durch die FIFA geknüpft« gewesen.

Da das korrupte System im Weltfußball auch durch die neuesten Veröffentlichungen immer brüchiger wird, wird das Vorgehen dagegen leichter. Die Ermittlungen in Deutschland, der Schweiz und den USA gegen den DFB, die FIFA und verantwortliche Personen wie Joseph Blatter haben eine neue Grundlage erhalten. Am Dienstag bestätigte die Schweizer Bundesanwaltschaft, dass »ein Rechtshilfeersuchen der deutschen Behörden eingegangen« sei. Die Strafverfolger aus Frankfurt wollen klären, wann und wofür Robert Louis-Dreyfus den deutschen WM-Machern die 6,7 Millionen Euro geliehen hatte. Vielleicht ergibt sich mehr als der bislang bestehende Verdacht der schweren Steuerhinterziehung.

Ganz und gar nicht erfreut zeigte sich am Dienstag der DFB. »Mit großem Befremden« habe er zur Kenntnis genommen, »dass vertrauliche Vernehmungsprotokolle in den Medien auftauchten«. Gleichzeitig versicherte der Verband, dass er selbst keinen Zugang zu den Protokollen gehabt habe. Der Ärger des DFB ist verständlich. Denn, wie auch zu Beginn des Skandals, kann sich der Verband nicht beraten und auf keine vorgefertigte Vorgehensweise zurückgreifen. Dass die Kanzlei bei ihren Ermittlungen auf ein Dokument gestoßen sein soll, das die Bestechung des damaligen Exekutivkomiteemitglieds Charles Dempsey aus Neuseeland kurz vor der Abstimmung über den WM-Gastgeber 2006 nahelegt, trifft den DFB ebenfalls unvorbereitet.

Es sagt viel aus, dass auf die neuen Vorwürfe kein Dementi folgte, wie es bei aufgeflogenem Betrug sonst üblich ist. Ganz konkret zeigte der Verband am Dienstag dann gleich selbst, was ihm Moral und Ethik bedeuten. Obwohl Niersbach nach seinen Aussagen spätestens jetzt mindestens eine Mitwisserschaft unterstellt werden kann, sieht DFB-Interimspräsident Rainer Koch »keinerlei Anzeichen«, dass eben jener Niersbach auch aus den Exekutivkomitees der FIFA und UEFA zurücktreten müsse. Warum? Koch: »Er hat über Jahrzehnte sehr viele internationale Kontakte aufgebaut. Es wäre ja töricht, sein Angebot, uns Türen zu öffnen und sich für unser Vorhaben einzusetzen, auszuschlagen.« Der DFB will die EM 2024. Und Niersbach weiß, wie man große Turniere bekommt.

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