Lebt denn der alte »Silberfuchs« noch?

Eine Meldung, die nur die Realität bestätigen wird: Der BND reaktiviert seine Kontakte zum Assad-Regime

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Keine Überraschung: Der Bundesnachrichtendienst (BND) arbeitet wieder mit den Geheimdiensten des Assad-Regimes in Syrien zusammen und will in Damaskus eine feste Residentur einrichten.

Es bedurfte nicht erst der Ausrede, dass man einen Gesprächskanal öffnen wolle für den Fall, dass deutschen Tornado-Piloten in Syrien etwas passiert. Um die rauszuholen, hat man sich mit den robusten Luftrettern der USA verständigt. Nein, es geht um politische Weichenstellungen. Dass Syrien ganz oben auf der Interessenliste des deutschen Auslandsnachrichtendienstes steht, ist klar. Assads Erklärung am Donnerstag in einem niederländischen TV-Interview, wonach »einige europäische Geheimdienste« Kontakt zur syrischen Regierung aufgenommen hätten, stützt Vermutungen über die Wiederbelebung einst fruchtbarer Zusammenarbeit. Wer wenn nicht der BND kann solche Kontakte herstellen.

Der deutsche Auslandsdienst mag seine Analysen ja nicht nur auf Medienberichte, Befragungen von Flüchtlingen und Kontakt zu Gewährsleuten in der Region stützen. Auch der Austausch mit Kollegen aus den USA, Großbritannien und Frankreich hat Grenzen. Die Zeiten, in denen man durch BND-gesteuerte Flottendienstboote der Deutschen Marine Informationen unter anderem über den Einsatz von chemischen Kampfstoffen abfangen konnte, sind vorbei. Wer gestaltend sein will bei der Einsetzung einer Übergangsregierung mit Vertretern der Opposition wie des Regimes von Baschar al-Assad braucht direkte Kanäle vor Ort. Auch über einen bei den jeweils zuständigen Stellen gemeldeten Residenten.

In diesem Zusammenhang versteht man auch eine Meldung besser, die jüngst die Runde machte. Ganz wider offizielle Regierungspolitik stellte sich der BND - der natürlich von allem nichts weiß - gegen Saudi-Arabien. Die »bisherige vorsichtige diplomatische Haltung« älterer Führungsmitglieder der Königsfamilie werde durch eine »impulsive Interventionspolitik« ersetzt, soll in einer BND-Studie stehen, die ganz zufällig deutsche Medien erreichte. Mit seinem Militäreinsatz in Jemen wolle Saudi-Arabien beweisen, dass es bereit sei, beispiellose »militärische, finanzielle und politische Risiken einzugehen, um regionalpolitisch nicht ins Hintertreffen zu geraten«, warnt der BND.

Weniger der Inhalt als vielmehr die kritische Distanz zum saudischen Hof, der die Anti-Assad-Terrortruppen des Islamischen Staates protegiert, war wichtig. Die Information kann man, besonders wenn man Regierungsverantwortung in Damaskus inne hat, durchaus als eine Art Beglaubigungsschreiben für einen neuen BND-Residenten begreifen. Zumal man mit Vorgängern - trotz Diskrepanzen - eine solide Zusammenarbeit pflegte.

Die wurde begründet durch Leute aus dem alten Weltkriegsnetz und noch übleren Typen. Zu denen gehörte der Holocaust-Mitorganisator und BND-Gewährsmann Alois Brunner, alias Dr. Georg Fischer. Später kamen vertrauensvolle Kontakte hinzu, die durch die Vermittlungstätigkeiten des BND zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah zustande kamen. Nachdem der andere deutsche Staat 1989 auch in Syrien einpacken musste, errichtete der BND offiziell seine erste Legalresidentur in Damaskus. Luftwaffen-Oberstleutnant Rainer Elbertzhagen trat das Amt an, assistiert von seiner Frau, die gleichfalls BND-Bezüge erhielt. In Wirklichkeit hatte jedoch ein »Klaus Blome« bereits zwei Jahre zuvor diesen Job inne. Maßgeblich betrieben wurde diese engere Zusammenarbeit durch Franz Josef Strauß (CSU), wissen Beteiligte.

Daneben gab es viel nachrichtendienstliche Reisetätigkeit. Seit Mitte der 90er Jahre war »Dahli« unterwegs. Im realen Leben hieß er Wilhelm Dietl und war Mitarbeiter des Magazins »Focus«. Seine Augenzeugenberichte über Massaker, die der Vater von Baschar al-Assad anrichtete, störten weder den BND noch das vorgesetzte Kanzleramt bei der Verbesserung der Beziehungen zu den syrischen Kollegen. Nicht nur zu Zeiten der Irak-Kriege war besonders »Silberfuchs«, so der BND-Decknahme für den syrischen Militärgeheimdienst, ergiebig. Er wird es wieder sein.

Der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), damals Kanzleramtschef der rot-grünen Regierung, gab Rückendeckung. Nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 in den USA buhlten auch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt um die Kooperation mit Partnern in Damaskus. Wer einen Blick auf die Reisenkostenabrechnungen der Präsidenten wirft, entdeckt dort mehrfach Aufenthalte in Syrien.

Am Freitag trafen sich in New York Außenminister aus 17 Staaten, darunter alle fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats. Auch Steinmeier ist dabei. Es geht um Syrien. Ziel ist es, die bisherigen Beschlüsse in eine Resolution des Sicherheitsrats zu gießen und möglichst rasch einen Waffenstillstand zu bewerkstelligen. In Wien hatten sich die Teilnehmer auf einen Fahrplan verständigt, wonach binnen eines halben Jahres eine Übergangsregierung stehen soll. Bis Mitte 2017 soll es dann Wahlen geben.

Und bei allem sitzt der in der NSA-Spionageaffäre gerade zurecht gescholtene BND in der ersten Reihe.

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