Lastesel der Globalisierung

Deutsche Containerschifffahrt ächzt unter der Konkurrenz asiatischer Flotten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
In Mecklenburg-Vorpommern sind doppelt so viele Reedereien ansässig wie an der Nordsee. Doch es werden weniger.

Alfred Hartmann redet an diesem Morgen Klartext: »Die Schifffahrtskrise ist noch nicht zu Ende.« Der Kostendruck auf die deutschen Reeder sei inzwischen brutal. Die Frachtraten* sind »nicht ausreichend«, und die »Überkapazitäten« nehmen weiter zu. Von der globalen Schifffahrtskrise betroffen sind auch die vielen Reedereien, die in Mecklenburg-Vorpommern ansässig sind, rechnet der Präsident des Verbands Deutscher Reeder (VDR) vor. Helfen soll nun die Politik in Berlin und Schwerin.

Dabei ist die Schifffahrtsbranche ein Gutmaß selbst schuld. Der Boom des Welthandels in den 2000er Jahren ließ Reedereien immer mehr und immer größere Schiffe in China und Korea ordern. Die Folge dieses - im Seefahrtjargon - »Schweinezyklus« sind gewaltige Überkapazitäten. Zu viel Frachtraum gibt es vor allem in der Containerschifffahrt, dem Brot- und Butter-Geschäft der Reeder. Die deutsche Containerflotte ist die größte der Welt. Jeder dritte Lastesel der Globalisierung wurde von Reedern, Banken und Investoren aus Deutschland finanziert. Alle Bundesregierungen seit Helmut Kohl halfen unter anderem mit günstigen Steuerregeln. Wie sie im übrigen Europa durchaus auch üblich sind. Mittelbar wurden dadurch Schiffe auch zu einem profitablen Anlagevehikel für viele Sparer, auch Kleinsparer bei der Postbank.

Doch seit der Finanzkrise wächst der Welthandel nur noch langsam. Und wenn, dann in Asien. Die deutsche Handelsflotte ist das dritte Jahr in Folge auf nun 3122 Schiffe geschrumpft. Seit ihrem Höchststand im Jahr 2012 hat die Transportkapazität um zwölf Prozent, die Zahl der Schiffe sogar um fast 17 Prozent abgenommen. »Der Rückgang unserer Handelsflotte ist eine beunruhigende Entwicklung«, sagte Alfred Hartmann auf der Jahrespressekonferenz seines Verbandes in Hamburg.

Nun droht ein Ausverkauf. Die in schwerer See angeschlagene HSH Nordbank, eine öffentliche Landesbank, könnte Hunderte Schiffe verkaufen. Die neuen Eigner hätten dann für wenig Kapital gute Schiffe erworben und könnten die Frachtraten weiter nach unten drücken, befürchtet der Reederverband. Und die Konkurrenz nimmt in der Krise weiter zu. Der dänische Weltmarktführer A.P. Moller-Maersk will seine Marktanteile um jeden Preis ausbauen. Auf Kosten der Frachtraten, die unaufhaltsam weiter sinken. Folglich werden weiter neue Frachter gebaut, hauptsächlich Riesenschiffe mit mehr als 13 000 Containern (TEU) an Bord. So wird sich die globale Jumbo-Flotte bis 2018 mehr als verdoppeln. Zudem fusionieren große Reedereien.

In Mecklenburg-Vorpommern mussten bereits zwei kleinere Schifffahrtsunternehmen aufgeben. Reedereien sind meist mittelständische Firmen. Drei Viertel der deutschen Schifffahrtsunternehmen bereedern weniger als zehn Schiffe. Die verbliebenen 19 Seereedereien zwischen Rügen und Rostock betreiben sogar nur insgesamt 73 Schiffe. »Bei diesen kleinen und mittelständischen Unternehmen«, warnt DRV-Präsident Hartmann, »kann selbst der Verlust von einzelnen Schiffen aus der Bereederung gravierende Folgen für die Geschäftstätigkeit und den Fortbestand des Unternehmens haben.«

Um besser durch die Krise zu kommen, erwarten die Reeder nun erneut Hilfe von den Regierungen. Mitte Januar wird sich der Bundestag mit weiteren Subventionen für die Schifffahrtsbranche befassen. Hilfe erwarten die Reeder auch bei der Umstellung der Schiffsantriebe auf klimaschonende Gasmotoren. Der VDR möchte Flüssigerdgas LNG (Liquefied Natural Gas) durchsetzen. Doch im Unterschied zu Norwegen gibt es in keinem deutschen Hafen an der Ostsee eine LNG-Tankstelle.

* Frachtrate - in der Handelsschifffahrt der auf eine Gewichtseinheit (bei Stückgut bis 1000 kg) bezogene Beförderungspreis.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal