Iranisch-saudisches Konfliktpotenzial

Zwischen den regionalen Mächten am Persischen Golf herrschen traditionell schlechte Beziehungen

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.
Es ist nicht so, dass alle Feindseligkeiten in der Region abgeleitet sind vom iranisch-saudischen Grundkonflikt. Aber ohne ihn wären die meisten von ihnen wohl viel leichter lösbar.

Die Islamische Republik Iran und das Königreich Saudi-Arabien sind für jeden auf der Karte erkennbar die territorial größten Staaten der Region. Sie sind es auch von der potenziellen Wirtschaftskraft her, die sich im Falle Irans allerdings erst nach Aufhebung der internationalen Sanktionen wieder voll ausprägen kann. Insofern kann beider Streben nach politischer Vorherrschaft in der Region nicht unerwartet kommen. Sie sind natürliche Konkurrenten, besonders seit Irak als Mitbewerber ausgeschieden ist, weil der Staat infolge jahrzehntelanger Kriege möglicherweise sogar zerfällt.

Bliebe noch die Türkei, seit Machtantritt ihres Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ebenfalls eine sich als islamisch verstehende Macht. Doch hat Ankara zunehmend mit eigenen Problemen zu kämpfen, auch wenn Erdogan von Sultansherrlichkeiten früherer Jahrhunderte träumen mag, in denen die Osmanen über große Teile der heutigen Staaten auf der Arabischen Halbinsel zumindest nominell regierten.

Besonders seit 1979 spitzt sich der Konflikt Irans mit der arabischen Welt zu. In jenem Jahr wurde der Schah und mit ihm die faktische US-amerikanische Vorherrschaft im Land gestürzt - eine schmerzende Niederlage in der US-Mittelostpolitik, die bis heute nicht verwunden ist. Das gesamte Verhältnis der USA zu Iran ist davon bis heute gekennzeichnet und, hört man besonders jetzt im US-Wahlkampf von der Republikanischen Partei, noch immer von dem Verlangen nach Revanche gekennzeichnet.

In Saudi-Arabien, das sich etwa bis 2010 jahrzehntelang politisch sehr zurücknahm und allenfalls im Hintergrund mit dem durch Milliarden Petrodollars gespeisten Scheckbuch Einfluss auf die Politik der Nachbarn nahm, sind aber Herrschaftsgelüste erwacht, die für säkulare Europäer schwer nachvollziehbar sind. Das politisch reaktionärste System der Region versucht seitdem allen Ernstes, in kaum zu übertreffendem religiösen Eifer die nach seiner Lesart »ungläubigen Regimes« zu stürzen, koste es , was es wolle. Als ersten traf es Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi.

Auch der augenblickliche Krieg in Jemen wird häufig als Stellvertreterkrieg Irans mit Saudi-Arabien bezeichnet. In Jemen sind die rebellierenden Huthis Schiiten und der abgesetzte und zeitweise nach Saudi-Arabien geflohene Präsident ist Sunnit. Allerdings ist der Vergleich kaum stimmig. Iran kann wegen der territorialen Entfernung kaum etwas für die Glaubensbrüder tun, während Saudi-Arabien seit Monaten einen erbarmungslosen Bombenkrieg gegen das bitterarme Land führt.

Seit etwa 2012 versucht Riad mit seinem Geld, die Revolte zum Sturz Baschar al-Assads zu einem Sturz der gesamten Alawiten-Herrschaft zu machen. Die Alawiten, eine den Schiiten ähnliche Minderheit, werden von Saudi-Arabien als vom rechten Glauben Abgefallene betrachtet. Doch Iran stellte sich auf Assads Seite und verhinderte den Untergang der syrischen Alawiten. Militärisch herrscht offenbar ein Patt. Deshalb wäre es umso wichtiger, dass sowohl Iran als auch Saudi-Arabien an einer neuen Syrien-Friedenskonferenz teilnehmen. Fehlt auch nur einer von beiden, lassen sich kaum Erfolg versprechende Beschlüsse erreichen. Saudi-Arabien zeigte in der Vergangenheit daran wenig Interesse. Es war vor allem Riads Verweigerung geschuldet, dass Iran trotz seines Interesses nicht zu Syrien-Gesprächen eingeladen wurde.

Das sollte bei der am 18. Januar geplanten nächsten Runde anders sein. Der öffentlich zelebrierte Bruch der diplomatischen Beziehungen mit Teheran - gegen dessen Wunsch - kann den Saudis nun ermöglichen, einer Begegnung mit Teheraner Diplomaten auszuweichen.

Dies entspräche weit mehr den Interessen der »saudischen Seite« im syrischen Krieg, die sich nach der Einigung von Washington im Dezember über die Teilnahme möglichst aller Kriegsparteien wenig glücklich gezeigt hatte. Mit der jetzige Entwicklung ist man augenscheinlich nicht unzufrieden.

Der iranische Vizepräsident Ishagh Dschahngiri kritisierte am Montag die Entscheidung Saudi-Arabiens zum Abbruch der Beziehungen: »Die Politik der Saudis hat in den letzten Jahren für die Region nur Negatives gebracht.« Die jüngste Entscheidung sei irrational und werde nur zu mehr Spannungen führen. Er wiederholte aber das Bedauern über die Verwüstung der saudischen Botschaft in Teheran, was er wohl als politische Dummheit betrachtet.

Saudi-Arabien hat sich diese Chance, die Konfrontation zuzuspitzen, nicht entgehen lassen. Man kann von der eigenen Missetat, der Massenhinrichtung, ablenken und ist zudem - bis jetzt - nicht genötigt, sich an den ungeliebten Verhandlungstisch zu setzen. Iran wird wohl nach Möglichkeiten suchen, eine Konfrontation zu vermeiden. Ein Nebenerfolg für alle: Der Ölpreis steigt.

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