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Thüringen will bessere Entschädigung für DDR-Zwangsausgesiedelte

Tröbs: Viele wurden in der Bundesrepublik »praktisch ein zweites Mal enteignet« / Ministerpräsident Ramelow: »Wir müssen über das Unrecht reden«

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Betroffenen von Zwangsumsiedlungen aus dem früheren DDR-Grenzgebiet nach Ansicht ihres Interessenverbandes noch immer benachteiligt. Zwar seien sie gesetzlich anerkannt, sagte die Präsidentin des Bundes der DDR-Zwangsausgesiedelten, Marie-Luise Tröbs, in Erfurt. Die Bemessungsgrundlagen für Entschädigungen seien aber so gefasst, dass zahlreiche Menschen ohne Rückkehrmöglichkeit in ihre früheren Häuser an der einstigen deutsch-deutschen Grenze leer ausgingen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow strebt nun eine gemeinsame Bundesratsinitiative der Ostbundesländer zur Änderung der Entschädigungsgesetze an. »Ich würde mir wünschen, dass die Ost-Ministerpräsidenten da mit einer Stimme sprechen.« Der Einsatz für Zwangsausgesiedelte dürfe nicht nur Angelegenheit der Opferverbände sein. Der Linke-Politiker forderte zugleich seine Partei auf, sich den damaligen Ereignissen zu stellen. »Wir müssen über das Unrecht reden.« Für Ramelow sind die Zwangsaussiedlungen »Instrument eines Unrechtsstaates«. In Thüringen hatten CDU-geführte Landesregierungen in den 1990er Jahren eine Stiftung »Zwangsausgesiedelten-Hilfe Thüringen« gegründet, die pauschale Einmalzahlungen an Betroffene leistete.

Von den Zwangsumsiedlungen 1952 und 1961 waren schätzungsweise 12.000 Menschen betroffen, die von der SED für »politisch unzuverlässig« erklärt wurden. Sie mussten aus dem Grenzgebiet der DDR zu Westdeutschland ins Hinterland ziehen, verloren ihr Hab und Gut. Die Operationen trugen zynische Tarnnamen wie »Aktion Ungeziefer«, »Aktion Kornblume« oder »Aktion Blümchen«.

Ihre enteigneten Häuser seien später oft von anderen DDR-Bürgern »auf redlichem Weg« erworben worden, sagte Tröbs. Deshalb sei statt Rückgabe nur Entschädigung möglich. Bei vielen Betroffenen laute der Entschädigungsbescheid jedoch auf »Null«. Tröbs kritisierte: »Zwangsausgesiedelte sind in der Bundesrepublik praktisch ein zweites Mal enteignet worden.« Heute sind nur noch 1.500 Betroffene am Leben. »Das dürfte also kein fiskalisches Problem sein.« Viele der noch lebenden Zwangsausgesiedelten seien hochbetagt. dpa/nd

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