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Der deutsche Film kriselt

Medienboard Berlin-Brandenburg zieht zwiespältige Jahresbilanz

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bilanz kann sich sehen lassen. 4700 Drehtage verzeichnet die Statistik für 2016 in Berlin und Brandenburg, an jedem Tag wurde an 13 Orten gefilmt. 24 Millionen Besucher, sechs Oscar-Nominierungen für »Bridge of Spies«, der Triumph von »Victoria« bei der Verleihung der deutschen Filmpreise. Zwei Filme im Wettbewerb der Berlinale 2016, 15 insgesamt im Programm. Die 25,6 Millionen Euro der Steuerzahler scheinen in 45 Spielfilmen und vier TV-Serien gut angelegt.

Doch die Bilanz ist getrübt, das war in den Worten von Medienboard-Geschäftsführerin Kirsten Niehuus zu spüren. Der deutsche Film kriselt. Das Publikum zeigt ihm zu oft die kalte Schulter. Rund 200 deutsche Filme kommen jedes Jahr ins Kino, davon reüssieren nicht mal zehn an der Kinokasse. Lediglich die Komödien von und mit Til Schweiger, Matthias Schweighöfer und Elyas M’Barek ziehen zuverlässig Millionen an. Gemessen am Produktionsvolumen und Anspruch der deutschen Filmemacher ist das zu wenig.

Auf den großen Festivals von Cannes und Venedig sind die Deutschen selten vertreten. Nun schwächeln sie auch bei ihrem Heimspiel. In seinem zweiten Jahr als Berlinale-Chef 2002 hatte Dieter Kosslick die Qual der Wahl unter zehn Filmen für den Wettbewerb. Jetzt hatte er Mühe, überhaupt deutsche Titel zu finden. Die Bilanz wird nur durch das Engagement deutscher Produzenten gerettet, die mit Regisseuren aus aller Welt arbeiten. So vertreten Vincenz Perez mit der Fallada-Verfilmung »Jeder stirbt für sich allein« und Rafi Pitts »Soy Nero« auf der Berlinale die Farben der Region.

Die Bilanz hat die Politiker in Bund und Ländern sowie die Förderer aufgeschreckt. Sie müssen sich eingestehen, dass sie zu lange nur dem Ruf der Branche nach Erhöhung der Fördertöpfe folgten. Kreativität und Qualität lassen sich jedoch nicht kaufen. Die Politik muss im System andere Anreize schaffen. Die Produzenten verdienen heute vorrangig am Dreh, bis zu 50 Prozent des Budgets sind gefördert. Es kann ihnen weitgehend egal sein, ob der finanzielle Aufwand im Verhältnis zum Zuschauerinteresse steht. Doch der Vorschlag einer Expertenkommission aus der Filmbranche, bei der Novellierung des Filmförderungsgesetzes kommerzielle Erfolge besser als bislang zu belohnen, wurde von Kulturstaatsministerin Monika Grütters abgeschmettert.

Die Branche ist überdimensioniert, weil die Länder Anfang der 1990 die Ausbildungskapazitäten kräftig ausbauten. Sie ist zersplittert in wenige große Player und Hunderte Kleinstfirmen, die über kein nennenswertes Eigenkapital verfügen. Nicht zuletzt verteuert der Konkurrenzkampf der regionalen Filmförderungen manchen Dreh. Das Fördergeld muss dort ausgegeben werden, wo es fließt.

Auch international hat der Filmstandort Deutschland an Attraktivität verloren, worunter das Studio Babelsberg leidet. Es bekommt nun Rückenwind aus Bayern. Das Wirtschaftsministerium, wirbt für das hochprofitable Steuerabschreibungsmodell nach britischem Vorbild, das dem Staat ein Vielfaches des Fördergeldes an Einnahmen für die Staatskasse garantiert. Berlin scheut sich noch vor einer klaren Positionierung.

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