Zwei Spiele, ein Ziel

Das Länderspiel gegen England ist der Auftakt zur EM-Vorbereitung. Es wird die schwierigste, die eine deutsche Mannschaft je hatte

Abgänge, Verletzte, kaum Kontinuität und Terrorszenarien: Die deutsche Nationalelf hatte nach der WM viele Probleme. Zwei Spiele gegen starke Gegner sollen jetzt helfen, in den EM-Modus zu kommen.

Sogar Marc Francina war nach Berlin gekommen. Und der Bürgermeister von Évian-les-Bains hatte auch gute Nachrichten mitgebracht: »Wir haben heute angefangen, am Fußballplatz zu arbeiten«, sagte er am Mittwoch beim EM-Workshop des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). In dem 8600-Einwohner-Ort auf der französischen Seite des Genfer Sees wird die deutsche Nationalmannschaft während der Europameisterschaft in Frankreich in diesem Sommer ihr Quartier haben.

Seit Dienstag ist ein großer DFB-Tross in Berlin. Training, Workshop, Sponsoren- und Medientermine und natürlich das Länderspiel am Sonnabend gegen England im Olympiastadion: »Es ist jetzt wichtig, endlich den EM-Countdown einzuleiten«, ordnete Teammanager Oliver Bierhoff die vielfältigen Aktivitäten der Mannschaft und des Verbandes in der Hauptstadt ein. Auch Joachim Löw wünscht sich, dass endlich der Fokus auf die sportliche Vorbereitung und das Turnier gerichtet werden könne. Demonstrativ erschien der Bundestrainer zur Pressekonferenz in einer repräsentativen Niederlassung eines DFB-Sponsors in Trainingshose und Trikot.

Wie schwer es dieser Tage ist, sich auf den Fußball zu konzentrieren, weiß aber auch Löw. »Natürlich kommen da in einem die Bilder von Paris wieder hoch.« Die jüngsten Terroranschläge erinnerten ihn und die Mannschaft unweigerlich an das Länderspiel gegen Frankreich und die blutigen Attentate im vergangenen November in der französischen Hauptstadt. Und so fiel in die kurze Vorbereitungszeit auf das anstehende Spiel dann auch noch ein Gespräch mit der Mannschaft über die jüngsten Ereignisse. Ein konkrete Bedrohungslage für die Partie in Berlin gäbe es nicht, heißt es aus Sicherheitskreisen. Ein normaler Fußballabend wird der Samstag aber nicht sein: Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in der Stadt und vor allem rund um das Stadion, eine Schweigeminute vor dem Anpfiff und Trauerflors an den Trikots.

»Wir wollen uns davon aber so wenig wie möglich beeindrucken lassen«, sagte Löw. Denn schon seine ureigene Aufgabe, der sportliche Erfolg, ist so kompliziert wie schon lange nicht mehr. »Es war diesmal ein sehr schwieriger Zwei-Jahres-Zyklus«, sagte Bierhoff zur Zeit nach dem Titelgewinn in Brasilien. Nach der WM 2014 hatten beispielsweise mit Miroslav Klose und Kapitän Philipp Lahm zwei herausragender Spieler ihre Karriere beendet, die nicht zu ersetzen sind. Der neue Spielführer Bastian Schweinsteiger konnte seine wichtige Rolle kaum ausfüllen, da er von vielen Verletzungen geplagt wurde. Beim Training am Mittwoch kam die nächste hinzu. Ob das Innenband im rechten Knie rechtzeitig bis zur EM heilt, kann bislang niemand sagen. Da auch etliche andere Spieler immer wieder fehlten, konnte der Bundestrainer eigentlich nie mit einem festen Stamm arbeiten. Die anfänglich unbefriedigenden Auftritte in der EM-Qualifikation belegen die Probleme.

»Wir haben uns bewusst für zwei sehr starke Gegner im März entschieden«, sagte Löw zu seiner geplanten Turniervorbereitung, die mit allen Begleitumständen wohl eine der schwierigsten wird, die je eine deutsche Mannschaft hatte. Nach dem Spiel am Sonnabend reist die Nationalelf weiter nach München und trifft dort am Dienstag auf Italien. »Das sind keine normalen Freundschaftsspiele«, weiß Löw. Seine, wohl auch begründete Hoffnung ist, dass die Mannschaft in diesen fordernden Prestigeduellen wieder zu einer wirklichen Einheit wird: auf hohem Niveau, mit größtmöglicher Konzentration zusammen kämpfen, zusammen spielen. Gegen schwächere Gegner könnte dieser Effekt in einer Zeit, da alle mit ihren Klubs vor der entscheidenden Saisonphase stehen, wohl nicht erreicht werden.

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