Zu kurz gesprungen
Martin Ling über die von Außenminister Frank-Walter Steinmeier angekündigte vorfristige Freigabe der deutschen Akten zur »Colonia Dignidad«
Außenminister Frank-Walter Steinmeier gebührt ein Lob: Er stellt sich der historischen Verantwortung des Auswärtigen Amtes. Unumwunden gestand er ein, dass im Fall der deutschen Sektensiedlung »Colonia Dignidad« in Chile das Amt die notwendige Entschlossenheit und Transparenz vermissen lassen habe, seine Verantwortung zu identifizieren und daraus Lehren zu ziehen.
Steinmeier zieht Lehren: Er hat die gesetzliche Schutzfrist für die Öffnung der Akten des Politischen Archivs in Sachen »Colonia Dignidad« um zehn Jahre verkürzt, sodass die Akten der Jahre 1986 bis 1996 für Wissenschaftler und Medien alsbald zugänglich sind.
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, mehr aber nicht. Dem Auswärtigen Amt müssten andere Bundesbehörden wie Bundeskanzleramt und BND folgen. Auch ihre Akten sollten vorfristig und vollständig für Wissenschaftler geöffnet werden, um die Aufarbeitung der Verbrechen in der Siedlung zu beschleunigen. Dafür ist auch eine Entsperrung der noch geheim gehaltenen Verschlusssachen unumgänglich. Fraglos müssen die Persönlichkeitsrechte der Opfer geschützt werden. Alles andere gehört transparent gemacht, die Täter müssen benannt und zur Rechenschaft gezogen werden, so ihrer die Justiz noch habhaft werden kann. Sonst ist Steinmeiers Ansage nicht viel wert.
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