Gauck geht in Rente. Oder?

»Bild«-Bericht: Bundespräsident will am Montag mit Merkel sprechen / Riexinger fordert SPD und Grüne zu gemeinsamem Kandidaten auf, »der für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit steht« / Debatte um Rot-Rot-Grün

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Kandidiert Joachim Gauck noch einmal als Bundespräsident oder nicht - die Frage steht seit längerem im Raum. Nun soll sie laut einem Bericht der »Bild«beantwortet sein: Der 76-Jährige hat sich angeblich gegen eine zweite Amtszeit entschieden und will dies am Montagabend Kanzlerin Angela Merkel bei einem Abendessen unter vier Augen in seinem Amtssitz Schloss Bellevue erläutern.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, forderte SPD und Grüne umgehend auf, zusammen mit den Linken einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Er sagte der »Mitteldeutschen Zeitung«: »Wenn Sigmar Gabriel es ernst meint mit einem politischen Kurswechsel, wäre das ein wichtiges Signal. Dafür müsste jemand gefunden werden, der für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit steht.« Riexinger forderte SPD und Grüne auf, mit der Linkspartei Gespräche über eine gemeinsame Kandidatin oder einen Kandidaten aufzunehmen.

Vor dem SPD-Parteikonvent am Sonntag hatte die Debatte über Rot-Rot-Grün ohnehin wieder zugenommen. Aus Linkspartei und von den Jusos wurde SPD-Chef Sigmar Gabriel zu einer solchen Zusammenarbeit aufgefordert. »Ein parteiübergreifender Solidarpakt für soziale Gerechtigkeit wäre die richtige Antwort gegen die Politikverdrossenheit im Land«, sagte die Linkenvorsitzende Katja Kipping der »Rheinischen Post«. Die Chefin der SPD-Jugendorganisation, Johanna Uekermann, begrüßte das. »Wenn die Partei Die Linke nun auf uns zugeht, um mit uns einen Solidarpakt zu schaffen, bin ich für diese Kooperation«, sagte die Juso-Chefin und betonte, 2017 dürfe sich die SPD vor einer rot-rot-grünen Machtperspektive nicht verschließen.

Beide Politikerinnen reagierten damit auf Vertreter des linken SPD-Parteiflügels, die im künftigen Wahlprogramm einen höheren Spitzensteuersatz und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer verankern wollen. Linken-Chefin Kipping sagte dazu: »Teile der SPD haben ihren sozialen Kompass zum Glück nicht verloren und fordern die Parteiführung zu deutlichen Kurskorrekturen auf.« Angesichts rot-rot-grüner Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat solle es daher noch vor der Bundestagswahl 2017 eine rot-rot-grüne Kooperation geben.

Die Union will derweil nach »Spiegel«-Informationen einen eigenen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten nominieren, falls Amtsinhaber Joachim Gauck tatsächlich nicht mehr antritt. Kurz vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 könnten CDU/CSU aus taktischen Gründen weder einen gemeinsamen Kandidaten mit der SPD noch mit den Grünen präsentieren, berichtete das Magazin unter Verweis auf Stimmen aus dem Umfeld von Kanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Chefin sei sich dieser Erwartung ihrer Partei an sie bewusst.

Am Dienstag will Gauck dem Bericht zufolge seine Entscheidung in Berlin der Öffentlichkeit bekannt geben. Zu den Gründen für seinen Verzicht zählen laut »Bild« Gaucks Alter und gesundheitliche Beschwerden. Die Sprecherin des Bundespräsidenten sagte am Abend, das Präsidialamt bleibe bei seiner Linie, zu Berichten dieser Art nicht Stellung zu nehmen.

Gauck hatte die Entscheidung über seine Zukunft bis zum Frühsommer angekündigt. Union, SPD und Grüne befürworteten eine zweite Amtszeit des parteilosen früheren Pastors aus Rostock; auch Merkel sprach sich für eine Wiederwahl aus. Die Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, tritt am 12. Februar 2017 zusammen. Gauck hatte seine erste Amtszeit im März 2012 angetreten.

Als mögliche Nachfolger waren in Medien Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Gespräch. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte schon bei der Suche nach einem Nachfolger für Horst Köhler 2010 als Mitfavoritin gegolten. Doch das ist alles Spekulation. Die Kandidatensuche ist auch deshalb komplex, weil viele in der Spitze von Union und SPD vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 ein eindeutiges Signal in Richtung einer erneuten großen Koalition scheuen. Agenturen/nd

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