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Sozialismus der Vaterländer

Linke Europakonferenz in Berlin debattierte über die Zukunft der EU und der gemeinsamen Währung

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Parteien Europas links von der Sozialdemokratie befinden sich in einer schwierigen Lage. Bis auf wenige Ausnahmen sind es nicht sie, die aufgrund des gegenwärtigen Sozialabbaus Stimmen hinzugewinnen, sondern vielmehr die extrem Rechten wie die FPÖ in Österreich, der Front National in Frankreich und hierzulande die AfD. Zu deren großen Feindbildern zählen nicht nur Flüchtlinge und Einwanderer, sondern auch das Konstrukt der Europäischen Union. Die Rechten wollen zurück zu einem Europa der Nationalstaaten.

In der Linken ist es umstritten, wie weit die eigene Kritik an der EU gehen sollte und wie groß die Gefahr ist, mit einer EU-skeptischen Haltung nationalistische Strömungen zu stärken. Über diese Fragen diskutierten am Freitag eine von der Linksfraktion im Bundestag veranstaltete Konferenz unter dem Titel »Krise der EU - Zeit für einen linken Neustart« im Berliner Energieforum. Der frühere Linksfraktionschef Gregor Gysi, der beim Kongress der Europäischen Linkspartei Mitte Dezember in Berlin deren neuer Vorsitzender werden möchte, grenzte sich in einem Eingangsreferat von der AfD, aber auch von anderen linken Politikern ab. »Ich will einen Neustart und keine Zerstörung der EU«, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Gysi sprach sich für eine Reform der EU hin zu einer Sozialunion aus. Dafür müssten die Verträge geändert werden. Forderungen nach einer Rückkehr zu nationalen Währungen erteilte Gysi dagegen eine Absage. In diesem Fall befürchtete er Spekulationen gegen einzelne Landeswährungen. Dies hätte verheerende soziale und ökonomische Folgen.

Die Linken sind in Europa jedoch nicht stark genug, um große Veränderungen auf EU-Ebene wie Vertragsänderungen durchsetzen zu können. In vielen Staaten sind sie marginalisiert. Größere linke Parteien erhalten in der Regel bei nationalen Parlamentswahlen zwischen fünf und zwölf Prozent der Stimmen. Ausnahmen waren zuletzt etwa die Wahlerfolge von SYRIZA in Griechenland sowie von Podemos in Spanien. Ihre Vertreter nahmen nicht an der Berliner Konferenz teil.

Als SYRIZA Anfang 2015 gemeinsam mit der nationalkonservativen Partei ANEL die Regierung in Griechenland übernahm, hofften viele Linke, dass dies der Anfang vom Ende der von der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank durchgesetzten Sparpolitik in den Krisenländern sein könnte. Doch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Letztlich war der Druck der internationalen Geldgeber auf die griechische Regierung zu groß, als dass diese ihr eigenes Programm - Verstaatlichung der Banken sowie der öffentlichen Dienstleistungs- und Versorgungsunternehmen, Wiederherstellung des Sozialstaates, öffentliche Investitionen und einen Schuldenerlass - hätte durchsetzen können.

Um künftig zu verhindern, dass die Troika oder auch nur die EU-Kommission in andere Länder hineinregiert, haben linke Politiker einen Plan B entwickelt. Demnach soll den europäischen Ländern die Herrschaft über die Geldpolitik teilweise wieder zurückgegeben werden. Unterstützer dieser Forderung sind unter anderem der frühere Linksparteichef Oskar Lafontaine und der linke französische Präsidentschaftskandidat für die Wahl im Jahr 2017, Jean-Luc Mélenchon (Parti de Gauche), die beide an der Konferenz in Berlin teilnahmen. In anderen europäischen Staaten formieren sich ebenfalls linke Euroskeptiker. Zu ihnen zählt Stefano Fassina, früher stellvertretender Finanzminister Italiens und Mitglied der Partito Democratico. Heute ist Fassina in der linken Sinistra Italiana und tritt für eine Überwindung des Euros ein. Nur so könne aus seiner Sicht die EU gerettet werden.

Eurokritisch äußerte sich bei der Veranstaltung auch Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht. Sie nannte den Euro »eine Fessel für eigenständige Politik«. Man könne die eigene Währung nicht mehr abwerten, um somit die eigenen Exporte zu fördern. Bisher nütze der Euro vor allem der deutschen Exportwirtschaft und schade unter anderem den südlichen Ländern Europas.

Als Plan A bezeichnete Mélenchon einen Ausstieg aus den Verträgen wie dem Lissabon-Vertrag, die nur »soziale Not und Krieg« hervorriefen und eine neoliberale Richtung vorschrieben. Auch der portugiesische Linksblock BE (Bloco de Esquerda), der die sozialdemokratische Minderheitsregierung toleriert, fordert Ungehorsam gegenüber Forderungen und Drohungen der EU und hat Referenden beispielsweise über den EU-Fiskalpakt ins Spiel gebracht.

Mélenchon geht noch einen Schritt weiter. Als Plan B liebäugelt er mit den Möglichkeiten, dass Frankreich aus der EU oder zumindest aus dem Euro austreten könnte. Sich für eine Volksabstimmung nach britischem Vorbild auszusprechen, wäre für Mélenchon allerdings problematisch. Denn diese Forderung wird bereits vom rechtsradikalen Front National erhoben.

Außerdem bestehen innerhalb der französischen Linken unterschiedliche Vorstellungen zur Europapolitik. Pierre Laurent, Chef der Europäischen Linken sowie der französischen Kommunisten, die Mélenchons Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2012 unterstützt hatten, nannte die Pläne A und B »schwer umsetzbar«. Zunächst einmal sollte die Linke sich darauf konzentrieren, bei Protesten wie gegen die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA in Europa enger zusammenzuarbeiten und Bündnispartner zu gewinnen.

Laurents deutscher Amtskollege Bernd Riexinger warnte davor, dass die Eurofrage die Linken, Gewerkschaften, Jung und Alt spalten würde. Trotz dieser Gefahren dürften die europäischen Debatten in der Linken bald noch intensiver als bisher geführt werden. Denn ein Ende der Krise der EU ist nicht absehbar.

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