Wer will schon Trophäen im Schrank?

Ausgerechnet im Eurocup, der zum Zentrum eines Machtkampfs wurde, verhindert Alba Berlin einen Fehlstart

Diesen Sieg hat Marco Baldi herbeigesehnt. Das 88:81 gegen den spanischen Basketballklub Baloncesto Fuenlabrada ließ den Geschäftsführer des Bundesligisten Alba Berlin tief durchatmen, denn zwei Diskussionen sind damit erst einmal beendet: Die über einen Fehlstart des einstigen deutschen Serienmeisters und die darüber, in welchem europäischen Wettbewerb die Berliner in dieser Saison überhaupt antreten. Alba hat sich wie auch Bayern München und Ulm für den Eurocup entschieden, obwohl lange Zeit gar nicht klar war, gegen wen man überhaupt spielt.

Vorausgegangen war ein Machtkampf, der immer noch nicht beendet ist. Auf der einen Seite stehen die Euroleague Commercial Assets (ECA), ein privat organisierter Zusammenschluss aus meist reichen Klubs und einigen großen Ligen, der zwei Wettbewerbe ausrichtet: das Spitzenprodukt Euroleague und den Eurocup darunter. Auf der anderen Seite steht der europäische Basketballverband FIBA Europe, der gern selbst einen profitablen Klubwettbewerb veranstalten würde und daher vor gut einem Jahr die Champions League ins Leben rief.

Ein Jahr lang stritten FIBA Europe und ECA nun um die besten Klubs, denn nur mit denen ist auch Premium drin, wo Premium drauf steht. Das Problem der FIBA ist, dass sie die Klubs, die in der Euroleague viel, viel mehr Geld als in der Champions League verdienen können, nicht zum Überlaufen zwingen kann. Schon gar nicht, wenn sie wie die elf reichsten von ihnen langjährige Verträge mit der ECA abgeschlossen haben, die sie an die Euroleague binden.

Um nicht auch noch die nächstbesten Vereine zu verlieren, setzte die FIBA den Erpressungshebel beim Eurocup und den Nationalmannschaften an: Wenn Klubs aus einem Land am Eurocup teilnehmen, könnten ihre Nationalteams nicht an der EM 2017 teilnehmen, lautete die Drohung. Sie wirkte dort, wo die nationalen Ligen nicht unabhängig vom nationalen Verband agieren: Frankreich, Italien, Griechenland und die Balkanstaaten zogen teils sehr spät ihre Vereine ab.

Somit fehlen wichtige Basketballnationen im Eurocup und doch bezeichnet ihn Marco Baldi als den zweitstärksten Wettbewerb: »Wir treffen hier auf Gegner, die wir in den vergangenen Jahren erst in der nächsten Runde gesehen hätten. Wir müssen um jeden Punkt kämpfen, um unter die besten 16 zu kommen. Da in der Euroleague darüber auch nur noch 16 Teams spielen, wären wir dann unter den besten 32 in Europa - mit drei oder vier Ausnahmen, die jetzt in der Chamions League spielen«, rechnet Baldi vor.

Chimki Moskau, Vilnius und den zweiten spanischen Gruppengegner Bilbao zählt er ohnehin zu den Top 30 des Kontinents. Sich hier durchzusetzen wird schwer, wenn auch nicht unmöglich, da zunächst nur der Letzte hängenbleibt. Nach den zwei frühen Bundesligapleiten gegen Ulm und Frankfurt war trotzdem zu befürchten, dass der Eurocup für die Berliner noch zu früh kommt.

»Wir haben uns Anfang der Woche zusammengesetzt und die Lage analysiert. Da hat die Mannschaft mit den Trainern zusammen entschieden, wie wir weitermachen und woran wir arbeiten müssen, um uns zu verbessern«, berichtete Albas neuer Trainer Ahmet Caki. »Das war mir noch wichtiger als dieser Sieg heute, denn die Saison ist lang. Die steht man nur als Einheit erfolgreich durch.«

Die erneut auftretenden Schwächen in der Defensive zeigten aber, dass er noch viel Arbeit vor sich hat. Die Champions League, in der Frankfurt, Oldenburg und Ludwigsburg antreten, startet erst in einer Woche. Der ebenfalls von der FIBA veranstaltete Europe Cup - für den sich Bonn entschied - sogar erst in zwei. Die Zeit hätte Caki in der Trainingshalle für Basisarbeit nutzen können, anstatt für Spielvorbereitung und Regeneration.

Trotzdem trägt er die Entscheidung Baldis mit. »Wir sind erst spät als Team zusammengekommen. Ich hätte die Mannschaft gern fünf Wochen lang zusammen gehabt, um sie auf die Saison einzustellen. Aber das ist nun mal nicht so«, will Caki nicht jammern. »Mit nur einem Spiel pro Woche würden wir den Trainingsrückstand schneller aufholen, aber Eurocup-Spiele geben uns Erfahrung, die wir im Training nicht sammeln können. Auch so lernen wir dazu, auch so werden wir besser. Den Eurocup sausen zu lassen, wäre mir nie in den Sinn gekommen.«

Seinem Chef Baldi auch nicht: »Wir wachsen mit den Aufgaben«, sagt er. Und je schwerer die sind, desto höher geht’s hinaus. »Wir wollen im höchstmöglichen Wettbewerb spielen, uns mit den Besten messen. Es ist nicht unser Anspruch, uns in irgendeinem viertklassigen Cup durchzuschummeln, nur um eine Trophäe im Schrank zu haben.«

Auch finanzielle Gründe hätten bei der Entscheidung nicht den Ausschlag gegeben, beteuert Baldi, auch wenn der Klub im Eurocup eine Antrittsprämie bekommt. »Wir hatten auch andere Möglichkeiten, die finanziell noch lukrativer gewesen wären. Doch wir haben uns für den attraktiveren Wettbewerb entschieden«, sagt der 54-Jährige.

Das mögen die Gelegenheitsfans anders sehen, denn die Partie am Mittwochabend lockte nur 6223 Anhänger in die mehr als doppelt so viele Zuschauer fassende Arena am Ostbahnhof. »In der Woche fallen leider die ganzen Familien weg, die an Wochenenden zu unseren Ligaspielen kommen«, spielte Baldi die vielen leeren Plätze herunter. Außerdem zeige die Erfahrung, dass so ein Wettbewerb erst mal anlaufen müsse.

Wenn sich die Fans erst mal an den Eurocup gewöhnt haben, könnte er aber auch schon wieder Geschichte sein, denn Baldi selbst prognostiziert, dass sich in etwa zwei Jahren einer im Machtkampf ECA gegen FIBA durchsetzen wird. Auf welches Pferd er in dem Rennen setzt, ist klar.

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