Paradesäle sollen grünes Gewölbe toppen

Die Wiederherstellung des Dresdner Residenzschlosses geht voran - nach alten Zeichnungen, Kupferstichen sowie Fotos aus der Zeit vor 1945

  • Simona Block, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Belgischer Marmor, Versailler Tafelparkett, Gold, Samt und Seide: Die Reste der einstigen Pracht liegen in riesigen Spezialkartons im Nordflügel des Dresdner Residenzschlosses. Wo einst Bälle gefeiert wurden, prüfen Textilrestauratoren die über Jahrzehnte verwahrten Reste von Wandbespannungen, Bettumrandungen oder Polstern. In Seidenpapier eingewickelt liegen kostbare handgewebte und mit vergoldeten Silberfäden gewirkte Seidenstoffe und harren der Prüfung.

Es ist eines der temporären Ateliers, in denen die mit Spannung erwartete Einrichtung des Paradegeschosses des legendären sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August der Starke (1670-1733) vorbereitet wird. Dafür werden Möbel restauriert, Räume rekonstruiert und gestaltet - nach überlieferten Zeichnungen, Kupferstichen sowie Fotos aus der Zeit vor der Zerstörung im Jahr 1945.

378,6 Millionen

Die 1945 zerstörte Dresdner Residenz sächsischer Kurfürsten und Könige wird seit 1985 wiederhergestellt und zum Museumszentrum der Staatlichen Kunstsammlungen ausgebaut. Bisher sind dort das Grüne Gewölbe, Kupferstich- und Münzkabinett sowie Türckische Cammer, der Riesensaal sowie eine Dauerausstellung zur Spätrenaissance als erste Teile der Rüstkammer eingerichtet worden. Zudem wurde der Georgenbau, in dem sich einst die fürstlichen Wohnräume befanden, innen ausgebaut. Bisher gab der Freistaat laut Finanzministerium rund 310 Millionen Euro für Sachsens größte Kulturbaustelle aus. Schätzungen gehen von 378,6 Millionen Euro Gesamtkosten aus - etwa 40 Millionen Euro mehr als 1997 angenommen. Bisher ist gut die Hälfte der Gesamtfläche nutzbar. dpa/nd

Auf dem Papier und virtuell ist das 2. Obergeschoss des Westflügels der einstigen Residenz der Wettiner aus dem 18. Jahrhunderts längst wieder präsent. Bis 2019 soll das Paradegemach nun wieder Realität werden und zum 300. Jahrestag seiner Einweihung in neuem Glanz eröffnet werden. Die fünf damals für die Hochzeit des Kurprinzen mit der Kaisertochter Maria Josepha geschaffenen Prunksäle sind das Herzstück der aus dem 16. Jahrhundert stammenden und 1945 zerstörten Residenz sächsischer Kurfürsten und Könige. Nach französischem Vorbild gehörten dazu ein Tafelgemach, zwei Vorzimmer, ein Audienzgemach und das Paradeschlafzimmer mit riesigem Imperialbett, erklärt Ludwig Coulin vom Sächsischen Immobilien und Baumanagement. Bei der Wiederherstellung könnten viele Befunde und Teile verwendet, restauriert und integriert werden: Kronleuchter, Spiegel, Mobiliar und Gemälde aus der Schlossbergung kommen an ihren angestammten Platz zurück. Freischaffende Künstler empfinden verlorene Malereien nach, von denen nur wenige Farbdias existieren.

Auch der textile Dekor der Räume wird nach Originalfragmenten »fadengenau« in Handarbeit wiederhergestellt. So kehren auch die heutzutage in Europa einmaligen geretteten Goldtextilien aus Pariser Werkstätten an die Wände des Audienzgemachs zurück. »Die Paradetextilien gehörten zu den größten Kostbarkeiten, die man damals erwerben konnte«, erzählt Schlossdirektor Dirk Syndram.

Dabei nutzen die Restauratoren Erhaltenes: »Ein Originalknopf ist wie eine DNA, da kann das ganze Zimmer geklont werden.« Dazu kommen die alten Silbermöbel sowie Möbel mit Schildpattfurnier und vergoldeter Bronze, darunter die von der kaiserlichen Braut einst mitgeführten Toilette-Koffer. Das über vier Meter hohe Paradebett, das mit der Fürstenabfindung 1918 verloren ging, soll originalgetreu nachgebaut werden.

Der große Audienzstuhl August des Starken dagegen ist noch da. Dem vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vielfach ausgestellten Möbelstück sind jedoch die Strapazen der Vergangenheit anzusehen. Restauratorin Katharina Hummitzsch begutachtet das 1,90 Meter hohe und 90 Zentimeter breite Sitzmöbel, das für die Hochzeitsfeierlichkeiten des Sohnes von August dem Starken angefertigt worden war. »Wir lassen original, was original erhalten ist - und was neu dazu kommt, ist so hergestellt wie früher«, erklärt Coulin das Dresdner »Schloss-Prinzip«. Die Experten können sich bei ihrer Planung auf Kupferstiche von 1719 stützen, mit denen die Wettiner die Pracht dokumentierten.

Im Turmzimmer indes ist das ganze Können von Eva Backofen und ihren Kollegen gefordert. Die freischaffende Bildhauerin steht auf einem Gerüst unter der Decke, wo sich schon 50 antike Bildwelten entfalten: Meeresgötter, Vögel, Pflanzen. »Wir haben nur Informationen aus Spiegelbildern, das muss dann halt zu Ende gedacht werden«, sagt sie. Es ist ein Puzzle aus Meeresgöttern, Vögeln, Pflanzen.

Der Nordflügel ist erst nach dem Paradegeschoss dran, das laut Coulin und Syndram für größeres Staunen sorgen wird als das Grüne Gewölbe, die Schatzkammer. Es sei viel prächtiger, opulenter, größer und wichtiger. »Denn es war kein Museum, sondern die Krönung des Hofzeremoniells auf europäischer Ebene.« dpa/nd

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