Früherem KZ droht der Verkauf

Sächsische Burg Hohnstein nach Insolvenzverfahren vor ungewisser Zukunft

  • Hendrik Lasch, Hohnstein
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Anblick ist idyllisch. Umringt von Sandsteintürmen der Sächsischen Schweiz, thront Burg Hohnstein über den verwinkelten Gassen und liebevoll herausgeputzten Fachwerkhäusern der gleichnamigen kleinen Stadt. Direkt vor der Burgmauer gähnt indes der Abgrund: Steil fallen die Felswände fast 100 Meter tief in das Tal der Polenz ab, aus dem kühler Nebel heraufsteigt.

Die Menschen, die ab Frühjahr 1933 auf der Burg leben mussten, empfanden die Aussicht freilich nicht als idyllisch; einige von ihnen stürzten sich über die Mauer in den Tod. Am 14. März 1933 hatte ein SA-Trupp die Burg besetzt, die seit 1924 Jugendherberge war und als größte im damaligen Deutschen Reich galt. Die Nazis funktionierten sie um - zu einem der frühen Konzentrationslager in Sachsen, sagt Steffen Richter, Chef des Alternativen Kultur- und Bildungszentrum (Akubiz) in Pirna. 5300 Menschen wurden in den Monaten bis zur Auflösung im August 1934 in »Schutzhaft« genommen: Sozialdemokraten, Kommunisten, Pfarrer, Lehrer, Kommunalpolitiker. Etwa 140 von ihnen kamen zu Tode. Erster Insasse war mit dem SPD-Mann Konrad Hahnewald ausgerechnet der Herbergsleiter.

An diesen Teil der Geschichte wird auf der Burg erinnert - ein wenig. Zwar gibt es ein Mahnmal und eine Tafel vor dem Burgtor. Eine historische Ausstellung widmet der NS-Zeit aber nur zwei Vitrinen und »verdient den Namen nicht«, sagt Richter. Immerhin sind die originalen Schauplätze aber noch zugänglich. Der Bildungsverein nutzt das bei »Wanderseminaren«, mit dem man jungen Menschen zeigen wolle, dass »die NS-Geschichte nicht erst in Auschwitz begann, sondern direkt vor unserer Tür stattfand«, so Richter. Künftig, so fürchtet er, ist die Burg allerdings womöglich nur noch von außen zu betrachten: Ihr droht der Verkauf.

Derzeit gehört das alte Gemäuer dem Landkreis Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge. Er verpachtete es 1996 an das Familienferien- und Häuserwerk der Naturfreunde Deutschlands, dem weitere vier Herbergen in der Sächsischen Schweiz, Thüringen und an der Ostsee gehörten. Der Betreiber steckte Geld in die Sanierung des Bettenhauses - mit Erfolg: Die Burg ist, wie schon in den 1920er Jahren und wieder in der DDR-Zeit, eine beliebte Adresse für Schulklassen und Jugendgruppen und zieht zudem Familien, Wanderer und Bergsteiger an. 2016 verbuchte man fast 27 000 Übernachtungen, was 40 Prozent der Gesamtzahl in Hohnstein entspricht. Für den Tourismus ist die Herberge unverzichtbar, sagt Hohnsteins SPD-Bürgermeister Daniel Brade: »Die Stadt ist die Burg.«

Allerdings steckt das Häuserwerk seit 2007 in einer Insolvenz. Nach zehn Jahren soll das Verfahren jetzt abgeschlossen werden - mit der Trennung von Burg Hohnstein. Der Insolvenzverwalter hat die Pachtverträge zu Ende November gekündigt. Der Landkreis als Eigentümer werde »wieder über den Pachtgegenstand verfügen«, bestätigt Stefan Meinel, der Büroleiter des Landrats. Genau genommen gilt das zunächst aber nur für die Oberburg. Für das Bettenhaus wurde 2001 ein Erbbaupachtvertrag geschlossen, der Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln zur Sanierung war. Der Kreis will allerdings auch diesen auflösen, wobei wohl eine Hypothek übernommen werden müsste. Ohne Verfügungsgewalt über das gesamte Areal, sagt Meinel, werde es »nicht möglich sein, einen neuen Nutzer zu finden«.

An genau diesem Punkt wird Bürgermeister Brade hellhörig. Der Kommunalpolitiker weiß, dass der Unterhalt einer Burg nicht zu den Pflichtaufgaben des Kreises gehört, und er kennt Schätzungen des Landratsamtes zum Investitionsbedarf. Um Burgmauern, Dächer und Fassaden zu sichern, seien 2,5 Millionen Euro nötig; insgesamt müsse man wohl 12 bis 20 Millionen in die Hand nehmen, sagt Meinel und fügt an: »Der Landkreis selbst hat nicht die Kraft, die Burg zu sanieren.« Das spräche für einen Verkauf - wovor es es wiederum dem Rathauschef graust. Er erinnert an den traurigen Fall von Schloss Kuckucksstein in Liebstadt auf der anderen Elbseite. Das pittoreske Gemäuer wurde ab 2003 von der Stadt zweimal an einen österreichischen Investor veräußert. Zugesagte Investitionen und die versprochene Öffnung für Besucher blieben aber aus. »Das ist unser Worst Case«, sagt Brade: »Es geht für uns darum, die Burg nicht zu verlieren.«

Auch Steffen Richter drängt darauf, diese in öffentlicher Hand zu halten - nicht zuletzt wegen ihrer historischen Bedeutung. Die Geschichte des frühen KZ habe »bundesweite Bedeutung«, sagt der Akubiz-Chef, der eine Bachelorarbeit zu Perspektiven von Hohnstein als Gedenkort geschrieben hat. Viele Umstände seien in der Öffentlichkeit aber wenig bekannt. So werde selten erwähnt, dass die beliebte ehemalige Motorradrennstrecke in Hohnstein von den Häftlingen gebaut wurde. Zu den Besonderheiten des »Schutzhaftlagers« gehörte, dass zwei Dutzend seiner Wachleute 1935 angeklagt und von NS-Richtern zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt, anschließend freilich von Adolf Hitler persönlich begnadigt wurden. Zur späteren Nutzung der Burg als Haftanstalt für Offiziere der Alliierten wurde bisher nur wenig geforscht. Insgesamt, sagt Richter, gäbe es aber genug Material für eine substanzielle Ausstellung - die freilich am originalen Schauplatz eingerichtet und vor allem zugänglich bleiben müsse.

Die Kommune hat dafür zumindest ein Konzept unterbreitet: Sie würde die Burg samt Herberge über die stadteigene Tourismus GmbH betreiben. Brade ist überzeugt, dass dabei schwarze Zahlen geschrieben werden könnten und Geld für eine schrittweise Sanierung übrig bliebe. »Wichtig ist, dass nicht Ende 2017 der Schlüssel herumgedreht wird«, sagt der SPD-Mann. Als Eigentümer, fügt er hinzu, wäre der Ort mit nicht einmal 3000 Einwohnern aber überfordert. Er appelliert an den Landkreis und auch an den Freistaat, sich zu engagieren. Für Verhandlungen dazu bleibt freilich sehr wenig Zeit. Ein Grundsatzbeschluss soll bereits am 3. April im Kreistag gefasst werden.

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