Drei Festnahmen nach Manchester-Anschlag

Ministerin beschwert sich bei US-Stellen über Umgang mit vertraulichem Briefing / Attentäter war Geheimdienst bekannt und wahrscheinlich in Syrien

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London. Die Polizei in Manchester nahm am Mittwoch drei weitere Männer im Zusammenhang mit dem Anschlag fest. Bereits am Vortag hatte sie einen 23-Jährigen gefasst und mehrere Häuser durchsucht. Der IS hatte nach dem Anschlag behauptet, der Attentäter Salman Abedi sei ihr »Soldat« gewesen.

Der Selbstmordattentäter von Manchester ist dem französischen Innenministerium zufolge in der Vergangenheit »wahrscheinlich« nach Syrien gereist. Der 22-jährige Salman Abedi habe sich »nach einer Reise nach Libyen und dann wahrscheinlich nach Syrien plötzlich radikalisiert«, sagte Frankreichs Innenminister Gerard Collomb am Mittwoch dem Nachrichtensender BFMTV unter Berufung auf britische Geheimdienstangaben. Danach habe Abedi entschieden, den Anschlag zu begehen. Es sei noch nicht bekannt, ob der Attentäter von einem Netzwerk unterstützt worden sei, sagte Collomb auf Nachfrage, »aber vielleicht«. »In jedem Fall Verbindungen mit Daesh (der Terrormiliz Islamischer Staat), die erwiesen sind.«

Die britische Innenministerin Amber Rudd hatte zuvor dem Radiosender BBC gesagt, die Ausführung des Anschlags sei »anspruchsvoller gewesen als einige der Anschläge, die wir davor erlebt haben«. Dies deute darauf hin, dass Abedi »wahrscheinlich nicht alleine gehandelt« habe. Die Polizei hatte Abedi zuvor als Täter identifiziert. Medienberichten zufolge war er 1994 als Sohn libyscher Flüchtlinge in Manchester geboren worden.

Manchester-Anschlag: London verärgert über USA

Die britische Innenministerin Amber Rudd hat sich wegen der Weitergabe interner Erkenntnisse zum Manchester-Attentat bei den zuständigen Stellen in den USA beschwert. Die Ministerin bezeichnete es am Mittwoch in der BBC als »irritierend«, dass Informationen über den Selbstmordattentäter Salman Abedi in US-Medien auftauchten, ehe sie in Großbritannien zur Veröffentlichung freigegeben wurden. »Ich habe unseren Freunden gegenüber sehr klar gemacht, dass so etwas nicht mehr passieren darf«, sagte Rudd.

Der Name des Attentäters war am Dienstag zuerst in US-Medien aufgetaucht. Diese stützten ihre Angaben auf eine vertrauliche Unterrichtung, die britische Stellen ihren US-Kollegen in London gegeben hätten. »Die britische Polizei hat sehr deutlich gemacht, dass sie selbst den Informationsfluss kontrollieren will, um die Ermittlungen zu schützen«, sagte die Ministerin dazu.

Auf die Frage, ob US-Vertreter durch die offenkundige Weitergabe der Informationen die britischen Ermittlungen kompromittiert hätten, entgegnete Rudd: »So weit würde ich nicht gehen.« Nach ihrem Gespräch mit den US-Stellen könne sie nun aber sagen, »dass ihnen die Situation absolut klar ist und dass so etwas nicht mehr passieren sollte«.

Der Umgang der neuen US-Regierung mit Geheimdienstinformationen befreundeter Staaten hatte bereits kürzlich für Aufsehen gesorgt. Medienberichten zufolge soll Präsident Donald Trump vertrauliche Geheimdienstinformationen über die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) an den russischen Außenminister Sergej Lawrow weitergegeben haben. Diese streng vertraulichen Informationen stammten offenbar aus Israel.

Der Austausch streng geheimer Erkenntnisse ist zwischen befreundeten westlichen Staaten wie Großbritannien und den USA üblich. Die Gepflogenheiten der Zusammenarbeit sehen allerdings vor, über diese Erkenntnisse absolutes Stillschweigen zu bewahren und diese nicht weiterzugeben ohne dass der Partnerdienst seine Zustimmung erteilt hat.

Attentäter war Geheimdienst bekannt

Der mutmaßliche Attentäter von Manchester, Salman Abedi, war dem britischen Geheimdienst bekannt. Das berichtete die britische Innenministerin Amber Rudd am Mittwoch dem Nachrichtensender Sky News. »Ich bin sicher, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen mehr Informationen über ihn bekommen werden«, sagte Rudd.

Die Regierung hatte am Dienstagabend die Terrorwarnstufe in Großbritannien auf das höchste Niveau angehoben. Die Sicherheitsbehörden halten ein unmittelbar bevorstehendes Attentat für möglich. Das Militär kann jetzt nach Ausrufung der höchsten Sicherheitsstufe die Polizei unterstützen. Das könnte zum Beispiel bei Großveranstaltungen in den nächsten Tagen der Fall sein, sagte Rudd in einem BBC-Interview. Nach Angaben von Scotland Yard sollen die Militärs unter anderem am Buckingham-Palast, am Parlament und vor Botschaften zum Einsatz kommen.

Nach Medienberichten war der 22-jährige Abedi erst kurz vor dem Terroranschlag zu Besuch in Libyen. Dort soll ein Teil seiner Familie leben. Abedi ist in Großbritannien geboren und aufgewachsen. Ebenso wie Premierministerin Theresa May am Dienstag betonte auch Rudd in ihren Interviews, dass Abedi womöglich kein Einzeltäter war. Es könnte eine größere Gruppe von Personen hinter der Tat in Manchester stecken.

Am Montagabend war am Ende des Konzerts von Teenie-Star Ariana Grande in Manchester ein Sprengsatz detoniert. Der mutmaßliche Attentäter hatte so mindestens 22 Menschen mit sich in den Tod gerissen. Der Anschlag traf vor allem Kinder und Jugendliche. Insgesamt 20 Verletzte waren am Mittwoch noch in einem kritischen Zustand.

Unter den Todesopfern des Terroranschlags sind mindestens zwei Polen, ein weiterer wurde verletzt, wie das Außenministerium in Warschau mitteilte. Bei den Toten handelt es sich demnach um ein Elternpaar, das seine beiden Töchter von dem Popkonzert abholen wollte. Agenturen/nd

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