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AirBerlin in schweren Turbulenzen

Verspätungen, Kofferchaos und die Hoffnung auf Staatshilfen - die Krise der Fluglinie hält an

  • Stefan Uhlmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war einmal eine sympathische Fluggesellschaft, die der großen Lufthansa Konkurrenz mit moderaten Preisen machte, im Zwei-Stunden-Takt nach Mallorca flog und Passagieren beim Ausstieg ein Schokoherz schenkte. Profitabel ist AirBerlin aber schon seit Jahren nicht mehr. Nun ruft die Fluglinie nach Staatshilfen. Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft scheint zu implodieren.

Derzeit kommt es einem Zeitungsbericht zufolge immer häufiger zu langen Verspätungen oder Flugausfällen. Wie die »Welt am Sonntag« unter Berufung auf Daten des Fluggastrechte-Portals EUclaim berichtete, gab es im Juni bisher jeden Tag durchschnittlich 24 sogenannte Problemflüge von und nach Deutschland. In den ersten fünf Monaten des Jahres waren es nur rund 18 pro Tag.

Als Problemflüge bezeichnen die EUclaim-Experten Flüge mit Annullierungen und Verspätungen von über drei Stunden. Seit Einführung des Sommerflugplans am 26. März seien 1541 AirBerlin-Flüge von und nach Deutschland ausgefallen.

Jahrelang hatten Kunden von der schwierigen Lage kaum etwas gemerkt. Das hat sich in den vergangenen Wochen geändert. Am Flughafen Berlin-Tegel herrschte wochenlang Kofferchaos, nachdem AirBerlin den Bodendienstleister wechselte. Derzeit fallen wegen fehlender Crews vermehrt und oft sehr kurzfristig Flüge aus, über 20 waren es über Pfingsten.

Passagiere müssen nach Unternehmensangaben aber nicht um die Gültigkeit ihrer Tickets fürchten. Die Buchungszahlen seien stabil, die Flugzeuge gut gefüllt, sagte AirBerlin-Vertriebsvorstand Götz Ahmelmann der »Rheinischen Post«. »Es hat sich für uns operativ und finanziell nichts geändert.«

Am Donnerstag hatte die Airline Voranfragen für Bürgschaften bei den Bundesländern Berlin und Nordrhein-Westfalen (NRW) gestellt. In Berlin und Düsseldorf hat das Unternehmen Drehkreuze, hier arbeiten die meisten Mitarbeiter. Die Politik reagierte zurückhaltend. Berlin will die Anfragen sorgfältig prüfen, wie Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen sagte. Sie erinnerte daran, dass AirBerlin nicht nur ein Unternehmen der Stadt sei, sondern deren Namen täglich in die Welt trage.

FDP-Chef Christian Lindner, der Koalitionsverhandlungen in NRW führt, gab sich abweisender. Der Steuerzahler dürfe nicht für Missmanagement haften. Eine unternehmerische Perspektive sei nicht sichtbar, sagte er der »Bild«. Dazwischen positionierte sich die Bundesregierung: Bürgschaften würden geprüfte, der Ausgang sei offen, erklärte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Klar ist aber: In gut drei Monaten wird der Bundestag gewählt, bei AirBerlin geht es um den Erhalt von 8000 Arbeitsplätzen.

2012 hat die 1979 gegründete Fluglinie mit dem roten Logo letztmalig einen kleinen Gewinn verbucht, seitdem steigen die Verluste. 2016 waren es 782 Millionen Euro. Über eine Milliarde Euro hoch ist der Schuldenberg. Ohne Etihad, die Fluglinie der vereinigten Arabischen Emirate, die 2012 mit 29 Prozent einstieg, wäre AirBerlin längst pleite. Am Donnerstag sagte Etihad Gespräche mit dem Reisekonzern Tui über die Bildung einer gemeinsamen Ferienfluggesellschaft ab.

Für Vorstandschef Thomas Winkelmann ist die Lage höchst unangenehm. Der 57-Jährige ist erst seit Februar an Bord, er ist schon der fünfte Chef seit 2011. »Mir tun die Verspätungen leid«, sagte er der »Zeit« in seinem ersten Interview auf dem Posten. Winkelmann kam von der Lufthansa, er steht daher im Verdacht, AirBerlin schwächen zu sollen, damit der Platzhirsch den Rivalen schlucken kann. »Das ist blanker Hohn«, widersprach er. Möglich ist die Übernahme dennoch. »Wir müssen 2017 einen Partner finden, und die Lufthansa ist einer von einigen möglichen«, betonte Winkelmann. Er prüfe alles, was Sinn ergebe und langfristig Jobs sichere.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat bei Etihad schon vorgefühlt: Anfang Mai befand er sich im Gefolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Besuch in Abu Dhabi. Am Rande der Hauptversammlung kurz darauf tat der Lufthansa-Chef das Interesse an AirBerlin kund. Allerdings soll die Fluglinie vom Golf AirBerlin entschulden. Es könnte also sein, dass die Rettung am Ende bei Eurowings liegen wird. Schon seit Anfang des Jahres fliegen 38 Jets von AirBerlin samt Besatzung für die Billigfluglinie der Lufthansa.

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