Klage gegen Prostituiertenschutzgesetz eingereicht

Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter bezeichnen die neue Regelung als einen Eingriff in ihre Berufsfreiheit

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Karlsruhe. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, Bordellbetriebe und Prostitutionskunden ziehen mit einer Klage gegen das Prostituiertenschutzgesetz vor das Bundesverfassungsgericht. Das Gesetz führe zu einer Totalüberwachung der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter und sei ein verfassungswidriger Eingriff in die Berufsfreiheit, heißt es in der Klageschrift. Unter anderem würden das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und die Freiheit der Berufswahl verletzt. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter würden gegängelt, bevormundet und kriminalisiert.

Die Klageschrift wurde am Mittwoch in Karlsruhe unter anderem von der Organisation Doña Carmen vorgestellt, die sich für die sozialen und politischen Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern einsetzt. »Es ist ein Schandgesetz, das entwürdigende Kontrollen für Sexarbeiterinnen vorsieht und sie zu einer vogelfreien Randgruppe macht«, sagte Juanita Henning, Sprecherin von »Dona Carmen«. Henning forderte stattdessen, dass die Branche schlicht dem Gewerberecht unterliegen sollte - »wie jede andere Branche auch«.

Das umstrittene Gesetz tritt am 1. Juli in Kraft und bestimmt unter anderem, dass Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sich behördlich und mit Lichtbild zu registrieren haben. Die Anmeldung wird allen Gemeinden und Ländern mitgeteilt, in denen sie arbeiten wollen. Wer ein Prostitutions-Etablissement eröffnen möchte, braucht ebenso künftig eine behördliche Erlaubnis. Das verantwortliche Bundesfamilienministerium will mit den neuen Regelungen die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter verbessern.

Der Richter am Verfassungsgerichtshof von Berlin, Meinhard Starostik, verfasste die Klageschrift und sieht in der amtlichen Registrierung eine »Berufszulassung«. Er bezeichnete die neuen Regeln als ein vollkommen unverhältnismäßiges Kontrollregime, das den Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern aufgezwungen werde. Künftig reiche etwa der Verdacht eines Nachbarn, das eine Wohnung zur Sexarbeit genutzt werde, für eine Hausdurchsuchung durch Behörden aus. Dies sei ein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit. Insbesondere könne das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter besser zu schützen, »die eingeführte Total- und Permanentüberwachung der Sexdienstleister/innen nicht rechtfertigen«. Sollte der Gang nach Karlsruhe erfolglos bleiben, wollen die Kläger den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlegen lassen und einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie der EU geltend machen.

Auch die Nichtregierungsorganisation Amnesty International kritisiert das Gesetz als unvereinbar mit internationalen Menschenrechtsstandards. Besonders bemängelt sie die mit dem Gesetz neu eingeführte Anmeldepflicht. »Die Anmeldepflicht wirkt diskriminierend, ist datenschutzrechtlich bedenklich und birgt die Gefahr eines Zwangsoutings«, sagt Fabienne Freymadl vom Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen in einer gemeinsamen Erklärung mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen. »Dadurch werden viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in die Illegalität gedrängt, wo sie verstärkt von Menschenrechtsverletzungen bedroht sind.« Damit verfehle das Gesetz seinen Zweck, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter zu schützen, erklärt Maja Liebing, Expertin für Frauenrechte bei Amnesty International in Deutschland. »Die entsprechenden Einwände der Betroffenen wurden zwar angehört, finden im Gesetzestext aber kaum Beachtung.«

Das Bundesfamilienministerium verteidigte die Vorgaben erneut. Das Gesetz diene »zum Schutz der in der Prostitution tätigen Personen vor Ausbeutung, Zwangsprostitution und Menschenhandel« und nicht etwa dazu, sie zu stigmatisieren oder zu bevormunden. Auch werde niemand in die Illegalität gedrängt - »das Gegenteil ist der Fall: Erst durch die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen bringen wir mehr Transparenz in das Prostitutionsgewerbe«.

Die Umsetzung des Gesetzes in den Ländern verläuft schleppend, wie auch das Bundesfamilienministerium einräumte. Lediglich in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein seien landesrechtliche Regelungen auf den Weg gebracht worden. Übergangsfristen sind jedoch vorgesehen. Agenturen/nd

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