Eine Straße für zwei Helmuts

Hannover diskutiert über Ehrung der Altkanzler Kohl und Schmidt - verschwindet Hindenburg?

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Helmut Kohl war noch nicht unter der Erde, schon begannen in Hannover die Köpfe von Kommunalpolitikern zu rauchen. Man grübelte, wo und wie man den verstorbenen Ex-Kanzler mit einer Straße ehren könnte. Niedersachsens Landeshauptstadt ist immer wieder gut für Zoff um solche Benennungen - und in diesem Zusammenhang auch für Überraschungen.

Eine solche hat jetzt Hannovers SPD-Chef Alptekin Kirci parat: Man möge die Hindenburgstraße in Helmut-Kohl-Straße umtaufen, empfahl der Sozialdemokrat. Dieser Vorschlag dürfte der CDU durchaus gefallen, so mag man vermuten. Wohl auch, weil ihre Geschäftsstelle unweit besagter Straße liegt. Doch falsch vermutet. Die Christdemokraten möchten, dass Hindenburg bleibst und die Straße ihren vertrauten Namen behält. Und das wünschen auch Bewohner jenes vornehmen Viertels, durch das sie führt und in dem der Feldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg einst zu Hause war. Offiziell heißt jene Gegend »Stadtteil Zoo«, von vielen Hannoveranern wird sie aber noch immer »Hindenburg-Viertel« genannt.

Hannovers CDU bewertet den Namensgeber offenbar nicht so kritisch wie die Sozialdemokraten. In deren Augen war Hindenburg als Wegbereiter Adolf Hitlers, den er zum Reichskanzler machte, mit verantwortlich für das Erstarken des NS-Regimes. SPD-Vorstand Kirci hatte Hindenburg schon 2016 vom Straßenschild tilgen und durch Helmut Schmidt ersetzen wollen, um den einstigen Bundeskanzler der Sozialdemokraten zu ehren. Widerstand regte sich, nicht nur die LINKE verwies auf Schmidts Dienst in Hitlers Wehrmacht, als Offizier, der in der Sowjetunion eingesetzt worden war.

Nach wie vor jedoch will die SPD »ihren« Helmut in der Stadt sichtbar würdigen, aber auch den Helmut der Christdemokraten. Mit einem etwas ungewöhnlichen Kompromissvorschlag wartete nun Hannovers CDU-Vizechef, Maximilian Oppelt, auf: Man könne doch eine Straße in zwei Abschnitte teilen, den einen nach Kohl, den anderen nach Schmidt benennen. Geeignet dafür wäre womöglich die Waldchaussee, eine lange Straße unweit des Hindenburg-Viertels.

Weder den einen noch den anderen Namen möchte die Linkspartei auf einem Straßenschild sehen. In puncto Schmidt wegen der Offizierskarriere im Hitlerfaschismus, mit Blick auf Kohl aufgrund »rassistisch konnotierter Äußerungen gegen türkischstämmige Migranten«.

Auch den Grünen erscheinen beide Altkanzler nicht geeignet für ein Straßenschild, beide seien aus dem einen oder anderem Grunde »belastet«, zitiert der NDR die Ökopartei. Sie bringt zwar keinen Alternativvorschlag ein, mahnt jedoch: Bei der Wahl eines Straßennamens sollten Frauen bevorzugt werden.

Und auch die FDP liefert einen Beitrag zur Diskussion: Wenn schon eine neue Ehrung per Straße, dann doch bitte für den ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher.

Während in der Landeshauptstadt somit ein neuer Namensstreit entbrannt ist, setzt sich auch der Ärger fort um die Benennung eines Platzes nach dem 1994 von einem Polizisten in Hannover erschossenen 16-jährigen Kurden Halim Dener. Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) stemmt sich heftig gegen diese vom Bezirksrat des traditionell »roten« Stadtteils Linden beschlossene Würdigung des jungen Menschen, der den Freiheitskampf seines Volkes mit einer Plakat-Aktion unterstützt und dabei sein Leben verloren hatte.

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