Mister Überall

Peter Hanslik leitet den Abenddienst am Maxim-Gorki-Theater

Peter Hanslik ist ein Mensch, dessen Wesen man am ehesten über andere Menschen näherkommt. Wenn man nach ihm fragt, dann bekommt man von keiner Person eine direkte Auskunft, wo er zu finden ist, jeder gibt einen charakteristischen Kommentar ab. Wahlweise bezeichnen ihn die, die beruflich mit ihm zu tun haben, dann als »quirlig«, »aufgeweckt« und als Schnellsprecher, was kein wörtliches Zitat ist, aber so oder so ähnlich über ihn gesagt wurde. Trifft man auf Hanslik im Foyer des Maxim-Gorki-Theaters, wird schnell deutlich, was die Leute meinen. Der Mann geht zielstrebig voran in die Kantine, was wohl das »quirlig« abdeckt. Wenn er von seiner Arbeit spricht, weiß man, was mit »aufgeweckt« gemeint ist. Und das mit dem Sprechen, nun ja, man erlebt viel als Abenddienstleiter im Theater.

Hanslik kommt eigentlich aus der Theaterpädagogik, hat in diesem Bereich in Görlitz und am »Gorki« gearbeitet. »Die beiden Bereiche sind doch recht verwandt. Natürlich verstehe ich den Abenddienst zuerst als Dienstleistung, aber ein bisschen ist es auch Theatervermittlung.« Im Abenddienst, der in anderen Häusern das Vorderhauspersonal meint und in Österreich Zuschauerdienst heißt, was Hanslik sehr treffend findet, arbeiten 18 Menschen. Sie sind für den Einlass, die Kartenkontrolle und die Garderobe zuständig. Bei Premierenfeiern helfen sie den KollegInnen aus der Kantine außerdem beim Sektverteilen und verpacken und verschicken den Leporello mit dem Programm. »Bei Studenten ist der Job sehr beliebt. Wer ihn einmal hat, hält ihn lange fest«, sagt Hanslik.

Zwei Stunden vor den Vorstellungen im Großen Haus ist Hanslik im Gorki, seine Mitarbeiter kommen 18.15 Uhr, um 19.30 Uhr beginnt meist das Stück, eine Stunde später die Aufführung im Studio. Dann fängt die stressigste Phase des Abends an. Hanslik rennt hin und her. Ist der Einlass im Haupthaus beendet, beginnt der nächste im Studio. Beim Nacheinlass ist Hanslik streng, immerhin warten sie bei solchen Stücken extra fünf Minuten länger mit dem Vorstellungsbeginn. Gibt es keinen Nacheinlass, steht das auf dem Ticket und auch im Internet. Die Dramaturgie lasse es einfach nicht zu, die Schauspieler zu unterbrechen, erst recht, wenn keine professionellen SchauspielerInnen auf der Bühne stehen. Wird ein Zuspätkommer aufbrausend, was höchst selten vorkommt, erklärt Hanslik freundlich, aber entschlossen, warum es keinen Einlass mehr gibt. Gut vorstellbar, dass das funktioniert, selten trifft man jemanden mit so viel Verbindlichkeit in der Stimme. Die Berliner seien aber eh recht pünktliche Menschen, sagt Hanslik. Nach der Vorstellung sind er und seine KollegInnen die Ersten, die die Kritik der ZuschauerInnen ungefiltert entgegennehmen. »Türenknaller sind selten«, sagt er. Seit Shermin Langhoff Intendantin ist, begegnen ihm außerdem viel häufiger Menschen im Foyer, die das Gezeigte sichtlich berührt. »Wir sind ein Theater, das verstanden werden will, und das funktioniert auch«, sagt Hanslik.

Die größte Herausforderung für ihn und sein Team sind die Premierenpartys und Festivals. Im November findet der Herbstsalon statt, dann herrscht »Tanz in allen Sälen«, wie Hanslik sagt. Performances im Stundentakt, Menschen, die nicht wissen, wo sie hin sollen und wollen. Seine KollegInnen erlebt er dann auf Hochtouren. Auf Premierenpartys ginge es auch mal bis vier Uhr und länger, da ist er froh, dass er sich die Stelle mit einer Kollegin teilt und nicht jedes Wochenende durchmachen muss.

Seit das Publikum unter der Langhoff-Intendanz jünger und zahlreicher wurde, haben sich drei Dinge verändert: Studenten geben weniger Dinge an der Garderobe ab und lassen oftmals das Trinkgeld stecken. »Das kann ich aber verstehen«, sagt Hanslik. Viel wichtiger aber ist, dass es seither mehr Reibung gibt, negative und positive. Widerlich war, als im September letzten Jahres die Identitäre Bewegung eine Veranstaltung mit Jakob Augstein und Margot Käßmann sabotierte und Parolen skandierte. »Das ist die Gefahr der neuen Rechten: Wir haben sie einfach nicht erkannt. Sie sahen aus wie linksalternative Philosophiestudenten.« Ein Kollege vom Abenddienst versuchte, ihnen ihre Fahne mit dem gelben Lambda-Zeichen zu entreißen. Innerhalb von zwei Minuten war der Spuk schon wieder vorbei.

»Das ist eine neue Herausforderung für unser Team. Die Veranstaltungen sind politischer geworden, also müssen wir nach Leuten gucken, die das für ihre Botschaft nutzen.«

Inzwischen ist Hanslik sensibel geworden. Gegen »Der Fluch«, ein Gastspiel aus Warschau, wurde schon in Polen heftig protestiert und zu Boykotten aufgerufen. Eine wahnsinnig umstrittene Inszenierung, die im Juni ans Gorki kam. Da hat Hanslik, der selbst Polnisch spricht, im Internet versucht herauszufinden, ob Ähnliches auch für die Inszenierungen im »Gorki« geplant ist. »Wenn man nur Goethe und Schiller spielen würde, wäre es ruhiger«, sagt Hanslik. »Aber so ist und bleibt die Arbeit am ›Gorki‹ im positiven Sinne herausfordernd.«

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