Deutsche E-Autos für Norwegen

Hiesige Hersteller setzen auf neue Antriebe - aber vor allem im Ausland

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Norwegen gilt in Europa als das Land mit der vergleichsweise größten E-Auto-Flotte. 46.500 Fahrzeuge wurden in dem skandinavischen Land allein 2016 neu zugelassen, ein Marktanteil von rund 29 Prozent bei neuen Autos. Die Statistik zählt dabei reine Batterieautos und Plug-in-Hybride, deren Akku sowohl am Stromnetz als auch über den Verbrennungsmotor geladen werden kann.

Was weiter überrascht: Fast jedes zweite der 2016 in Norwegen verkauften reinen Batterieautos stammt von einem deutschen Hersteller. Zählt man noch die Plug-in-Hybride und die Autos mit Brennstoffzellenantrieb hinzu, haben deutsche Autobauer in Norwegen derzeit einen Marktanteil von deutlich jenseits der 50 Prozent an neuen E-Autos, beziffert der Wissenschaftliche Dienst der Bundestages jetzt in einem auf Daten des Verbandes der Autoindustrie (VDA) beruhenden Bericht.

Auch anderswo in Europa haben deutsche E-Autos die Nase vorn: In Schweden lag ihr Marktanteil bei 49, in Großbritannien bei 46 und in Frankreich bei 37 Prozent, gemessen jeweils für den Zeitraum Januar bis Mai 2017. Selbst in den USA bewegen sich die Anteile deutscher E-Autos zwischen 17 und 20 Prozent. Nur im derzeit größten E-Auto-Markt der Welt, China, scheint der Zug vorerst abgefahren: Als industriepolitischer Horror schlechthin erscheint den deutschen Konzernen die dort geplante gesetzliche Mindestquote, laut der ab dem kommenden Jahr mindestens acht Prozent der abgesetzten Fahrzeuge eines Autoherstellers einen Elektro- oder Hybridantrieb haben müssen.

Auch in Europa stellt sich die Sachlage ein wenig anders dar, zählt man nur die reinen Batteriefahrzeuge: Dann beträgt der deutsche Marktanteil in Schweden, Großbritannien und Frankreich lediglich 17, 20 bzw. acht Prozent. Der Auslandserfolg der deutschen Branche beruht also offenbar stark auf Verkäufen von Plug-in-Hybriden.

Dennoch sieht der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, die deutschen Hersteller auch mit neuen Antrieben auf den internationalen Märkten gar nicht so schlecht positioniert. »Die deutsche Autoindustrie kann ganz offensichtlich Elektroautos an die Frau und an den Mann bringen, wenn sie will oder muss«, konstatiert Krischer. Umso unverständlicher ist für ihn, dass die Autobosse in der deutschen Debatte »fast täglich Glaubensbekenntnisse für den Diesel abgeben, statt konsequent auf Elektromobilität zu setzen«. Nur wenn die Industrie auf ihrem Heimatmarkt die globale E-Zukunft angeht, werde die deutsche Autoindustrie überleben, meint Krischer. »Deshalb muss die Bundesregierung endlich ernsthaft das E-Auto und nicht länger den Diesel fördern.«

Norwegen würde eine gute Blaupause abgeben: Als Gründe für den dortigen E-Boom nennt eine Untersuchung der Umweltstiftung WWF und des Ökostromanbieters Lichtblick vom Frühjahr 2017 Investitionen in die Infrastruktur, Steuervergünstigungen sowie die Befreiung von Zulassungskosten. In Norwegen dürfen E-Autos auch auf Busspuren fahren, gratis parken und Batterien an vielen öffentlichen Ladestationen umsonst aufladen. Zudem sei Benzin relativ teuer, was den Spareffekt für die Besitzer verstärke, heißt es in dem Bericht weiter.

Auch der VDA zählt die deutsche Autobranche weltweit zu den Leitanbietern bei der Elektromobilität. In vielen Ländern entschieden sich immer mehr Kunden für die neuen Elek-tromodelle deutscher Hersteller, betont Verbandschef Matthias Wissmann. Bis 2020 werde die hiesige Industrie ihr Angebot an E-Modellen auf rund 100 mehr als verdreifachen.

Leider geben auch die Zahlen des Wissenschaftlichen Dienstes keine Auskunft darüber, welche Modelle besonders beliebt sind. Laut dem Bericht von Lichtblick und WWF soll mit rund zwölf Prozent Marktanteil der Mitsubishi Outlander das populärste Elektroauto in Europa sein, es folgen der Renault Zoe, der Nissan Leaf und der Tesla S.

Auch wenn die Verkäufe weltweit stark zunehmen und schon 2,3 Millionen E-Autos unterwegs sind - E-Autos sind noch immer eine Nischenerscheinung. In Europa sind derzeit rund 250 Millionen konventionelle Autos zugelassen, weltweit deutlich mehr als 1,2 Milliarden. Der Anteil der E-Fahrzeuge hat also gerade einmal den Promillebereich verlassen.

Um die Ziele des Pariser Weltklimavertrages einzuhalten, hält es die Internationale Energieagentur (IEA) übrigens für notwendig, dass 2030 weltweit 100 Millionen Autos elek-trisch fahren. Will man das Zwei-Grad-Limit bei der Erderwärmung einhalten, wird sogar das Doppelte gebraucht: 200 Millionen E-Autos.

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