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Der Krieg mit den Drogen

Im Kino: »Barry Seal - Only In America« von Doug Liman

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

In kürzlich offengelegten Akten konnte man einen Einblick in die Abhängigkeiten der US-Filmindustrie vom Gutdünken des Pentagon und der CIA erhaschen. Ein für die Kommunikation zwischen US-Armee und Hollywood zuständiger Offizier wird dort mit den Worten zitiert: »Es besteht keine Notwendigkeit, dass wir die Öffentlichkeit an den Iran-Contra-Skandal erinnern.« Und weil das Pentagon das so sah und seine für einen Kriegsfilm essenzielle Unterstützung versagte, konnte die geplante Produktion »Countermeasures« nicht realisiert werden. Die Zeiten haben sich scheinbar geändert: Mit »Barry Seal« gibt es jetzt nicht nur irgendeinen engagierten, aber in der Masse untergehenden Low-Budget-Streifen zu Iran-Contra, sondern einen überlebensgroßen, superschnellen und ziemlich unterhaltsamen Hollywood-Blockbuster mit Tom Cruise in der Hauptrolle und riesigem Werbe-Etat im Gepäck. Die einen werden sagen: »Endlich!« Die anderen werden Ablenkung und Weißwaschung wittern. Beide Seiten haben Recht.

Während des allgemein bekannten Teils des Iran-Contra-Skandals wurden Ende der 80er Jahre US-Waffen geheim an den offiziell verfeindeten Iran verkauft, um mit dem Erlös die anti-sozialistischen Söldner in Nicaragua (»Contras«) zu bezahlen. Deren Unterstützung hatte der US-Kongress eigentlich verboten, darum »mussten« von den antikommunistischen Paranoikern um Präsident Ronald Reagan und seinen Vize George Bush alternative und klandestine Geldquellen aufgetan werden. Das Iran-Geschäft reichte nicht aus. Und so gelangt man zum noch skandalöseren, wegen eines weitgehenden (bis heute wirkenden) Medienboykotts jedoch viel unbekannteren Teil der Episode: zum tonnen- und milliardenschweren Kokainschmuggel in die USA - unter der Schirmherrschaft der CIA.

Für den Drogenschmuggel aus dem lateinamerikanischen Dschungel, für halsbrecherische Landeanflüge auf zu kurze Buckelpisten oder für stets riskante Verhandlungen mit sadistischen Drogenbaronen und rechtsextremen »Widerstandskämpfern« braucht man keine Paragrafenreiter, sondern todesverachtende Kamikaze-Piloten und abgekochte Abenteurer. So einen fand die CIA Ende der 70er Jahre im hochbegabten Piloten Barry Seal (Tom Cruise). Zunächst wurde Seal vom Geheimdienst engagiert, um kommunistische Dschungel-Basen in Lateinamerika zu fotografieren. Irgendwann begann Seal jedoch, auf dem Rückweg Kokain für das spätere Medellin-Kartell um Pablo Escobar zu schmuggeln. Er wurde erwischt, landete im Knast - und war fortan erpressbar von jenen namenlosen US-Agenten, die ihn vor einem Martyrium im kolumbianischen Gefängnis bewahrt hatten. Seal schmuggelte ab diesem Moment im CIA-Auftrag: Waffen nach Nicaragua, Kokain in die USA. Und das massenhaft. Um die Heuchelei perfekt zu machen, eskalierte Ronald Reagan gleichzeitig offiziell den bizarren und nur angeblichen »Krieg gegen die Drogen« - während »sein« Kokain die »Crack-Welle« in den US-Innenstädten forcierte.

Der launige, rasante und zum verrückten Aufstieg eines Antihelden montierte Film erinnert in Stil und Aufbau (und auch in seiner formalen Makellosigkeit) an Martin Scorseses »The Wolf Of Wall Street« und ist Tom Cruise wie auf den Leib geschnitten. Und das, obwohl der mit dem echten Barry Seal optisch wenig gemein hat: Seal war übergewichtig und wurde etwa von Pablo Escobar nur »El Gordo« (»Der Dicke«) genannt.

Doug Liman hat »Barry Seal« als pausenlose Hochgeschwindigkeits-Farce inszeniert. Dieses Tempo bündelt sich mit den grotesk-realen Vorgängen und dem ausnahmslos schillernden und zwielichtigen Personal aus CIA-Verbrechern, lustlosen Söldnern, gewieften Drogenlords und genussüchtigen Glücksrittern zu einer rauschhaften, aber höchst oberflächlichen Tour de Force. Diese Oberflächlichkeit bezieht sich auf die Charaktere (selbst der omnipräsente Seal bleibt ein Halodri-Abenteurer-Abziehbild), aber auch auf die Politik.

Insofern ist zwar zu begrüßen, dass das Thema endlich auf der großen Leinwand stattfindet und viele Menschen wohl erstmals darauf hinweist - und dabei auch noch Spaß macht. Wen die poppige Oberflächlichkeit jedoch unbefriedigt zurücklässt, der sollte sich »Kill The Messenger« von 2014 zum infamen Medienboykott des Themas ansehen oder (für den größeren Zusammenhang) Alfred McCoys »Die CIA und das Heroin« lesen.

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