Praktische Solidarität organisieren
Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik? Nein: Stärkung der linken Gewerkschaftsarbeit! Ein Gastbeitrag von Janine Wissler und Axel Gerntke
9,2 Prozent ist ein gutes Ergebnis für DIE LINKE, dass wir aber nur von 10 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter gewählt werden, wie Oskar Lafontaine einwirft, sollte uns in der Tat nachdenklich machen. Die Frage ist: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus? Es erschließt sich uns nicht, warum wir durch Änderung unserer Flüchtlingspolitik mehr Arbeiter erreichen sollten - davon abgesehen, dass es inhaltlich falsch wäre.
Wenn man vor Ort bei betrieblichen Aktionen und Streikversammlungen ist, ob bei der Post, im Einzelhandel, bei den Busfahrern, bei Amazon, dem KfZ-Handwerk und den Pflegekräften, überall findet man Belegschaften mit einem hohen Anteil von Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund.
Gerade in den Arbeiterberufen und im Niedriglohnbereich haben viele Menschen eine eigene Migrationsgeschichte. Warum sollten uns diese Menschen verstärkt wählen, wenn wir unsere Flüchtlingspolitik ändern? Oder warum sollten uns die eine Million Menschen, die in der Leiharbeit beschäftigt sind, deshalb verstärkt wählen? Wir sollten das Wahlergebnis lieber zum Anlass nehmen, um über linke Gewerkschaftsarbeit reden!
DIE LINKE sollte betriebliche und gewerkschaftliche Kämpfe noch viel stärker ins Zentrum stellen und praktische Solidarität organisieren - in einigen Bereichen tun wir das bereits. Das sollten wir auswerten und diskutieren, wie wir unsere Verankerung in den Betrieben und Gewerkschaften verbessern können.
Bei den weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern hat DIE LINKE übrigens 14 Prozent der Stimmen. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass wir aktiv waren bei den Kita-Streiks, als es um die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsdienste ging, bei den Streiks im Einzelhandel und den Auseinandersetzungen in der Pflege, alles Bereiche, in denen in der Mehrzahl Frauen beschäftigt sind.
DIE LINKE muss in der Praxis ihren Mehrwert unter Beweis stellen, indem wir gewerkschaftliche Kämpfe durch unsere Arbeit in den Parlamenten unterstützen und daran mitwirken gesellschaftliche Solidarität zu organisieren.
Janine Wissler ist stellvertretende Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Hessischen Landtag. Axel Gerntke ist Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Wiesbaden-Limburg. Beide sind gemeinsam Kreisvorsitzende der LINKEN in Frankfurt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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