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HoGeSa auf Englisch

Bis zu 40.000 Fußballanhänger werden am Sonnabend durch London ziehen - vorgeblich gegen Extremismus. Viele Rechte marschieren mit

  • Simon Volpers, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Sonnabend pausieren in Europa die oberen Ligen. »Non-League-Day« nennen die britischen Fußballfans diesen Tag der Länderspielpause, an dem es traditionell eher ruhig zugeht. Doch nicht wenige der »Lads« (Jungs) genannten Fans werden sich am Sonnabend trotzdem auf den Weg in die Hauptstadt machen. Nicht, um ein Spiel zu besuchen, sondern um bei einer Demonstration der »Football Lads Alliance« (FLA) mitzulaufen. Bis zu 40.000 Menschen wollen im Regierungsviertel Londons unter dem Motto »Together we are stronger« (Zusammen sind wir stärker!) gegen Extremismus protestieren.

Antifaschistische Initiativen sorgen sich, dass zahlreiche rechte Hooligans und Neonazis unter den Teilnehmenden sein werden. Schließlich gründete sich die FLA direkt nach den islamistischen Terrorakten auf der London Bridge Anfang Juni dieses Jahres, die den Höhepunkt einer Serie ähnlicher Taten darstellten. Zunächst vornehmlich in den sozialen Medien präsent, organisierte die FLA am 24. Juni eine erste Demonstration am Ort des Geschehens, zu der sich laut Veranstalter 10.000 Fußballfans einfanden.

Die Organisatoren von der FLA bemühten sich dabei sichtlich, nicht in die rechte Ecke gerückt zu werden. Öffentlich sprachen sie sich explizit gegen jede Form des Extremismus aus und betonten, dass extrem rechte Gruppierungen auf ihrer Demonstration nicht erwünscht seien. Offenkundig ließ sich dieser Anspruch nicht erfüllen. Beobachter des Aufzugs berichteten im Nachhinein, dass Mitglieder englischer Neonazigruppen wie etwa der neofaschistischen British National Party anwesend gewesen seien. Auch durfte Toni Bugle zu den Teilnehmenden sprechen, Gründerin der im extrem rechten Milieu vernetzten Gruppe M.A.R.I.A.S. (Mothers Against Radical Islamism and Sharia - Mütter gegen radikalen Islamismus und Scharia). Sie hat für verschiedene rechte Parteien kandidiert.

Auch Hooligan Roy Larner vom Millwall FC war zur Demo geladen. Larner gelangte als »Lion from the London Bridge« zu Berühmtheit, nachdem er sich den Terroristen in den Weg stellte, als diese einen Pub angriffen. Im Internet kursieren bis heute Videos, in denen Larner seine nationalistische und rassistische Gesinnung preisgibt.

Trotz der Ankündigung, gegen verschiedene Formen des Extremismus zu protestieren, beschränkte sich die inhaltliche Ausrichtung der ersten Demonstration im Wesentlichen auf den Islamismus. Die terroristische Attacke auf eine Londoner Moschee wenige Tage zuvor oder der Mord an der Labour-Politikerin Jo Cox durch einen britischen Neonazi kurz vor dem Brexit-Votum wurden hingegen nicht thematisiert, wie Londoner Antifaschisten kritisierten.

Aus deutscher Sicht lassen sich schnell klare Parallelen zu den »Hooligans gegen Salafisten« (HoGeSa) erkennen, die in Deutschland Ende 2014 für Aufsehen sorgten und sich ebenfalls vor allem aus einem Milieu rechter Fußballanhänger rekrutierten. Wie bei deren Aufzügen liefen auch in London hauptsächlich weiße Männer mittleren Alters mit. Ins Bild passt es da, dass John Meighan, Hauptorganisator der FLA, sein erstes Interview ausgerechnet dem rechten Blog »Shysociety« gab.

Für den kommenden Sonnabend ist Ähnliches zu erwarten, zumal der Zulauf der Fußballfans ungebrochen scheint. Im Hauptmedium der FLA, einer geschlossenen Facebook-Gruppe, tauschen sich mittlerweile etwa 100.000 Mitglieder aus.

Der Londoner Journalist James Poulter, der vor allem für »VICE UK« schreibt, hat das FLA-Netzwerk seit seiner Gründung beobachtet. Positiv rechnet er es John Meighan zumindest an, dass es dieser bisher geschafft habe, gewalttätige Ausschreitungen zu verhindern. Für die anstehende Veranstaltung am Sonnabend in London geht er davon allerdings nicht aus: »Falls die Demonstration so groß wird, wie es Organisator Meighan erwartet, wäre es eine Überraschung, wenn er es schafft, die Kontrolle zu behalten und ein Ausufern der Veranstaltung zu verhindern.« Dies gilt nicht zuletzt, weil auch zahlreiche verfeindete »Firms«, also Hooligangruppen, aufeinander treffen. Die Organisatoren haben vorsichtshalber die Devise »No colours, no flags!« ausgerufen: Niemand soll die Farbe oder die Fahne seines Vereins tragen.

Dass insbesondere die Fußballfans Großbritanniens ins Blicklicht rechter Agitation rücken, ist auch in England kein Einzelfall. Antifaschistische Initiativen wiesen in Bezug auf die FLA unlängst auf Ähnlichkeiten mit der Entstehung der »English Defence League« (EDL) hin. Auch die entstammt dem Hooliganmilieu und verbarg lange Zeit unter dem Deckmantel der Islamkritik ihre extrem rechten Positionen.

Von einer derart eindeutigen politischen Ausrichtung scheint die »Football Lads Alliance« zum jetzigen Zeitpunkt noch recht weit entfernt. Dass es die Demonstranten am Sonnabend aber allein gegen den Extremismus auf die Straße zieht, darf bezweifelt werden. James Poulter befürchtet Schlimmes: »Jeder Neonazi und rechte Hooligan im Land wird an den Protesten teilnehmen. Die werden ethnische Minderheiten und Linke angreifen wollen.« Sollte es so weit kommen, bekäme auch die friedliche Fassade der »Football Lads« deutliche Risse.

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