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  • Antisemitismusskandal in Italien

Polizei hat nach Verhöhnung von Anne Frank 16 Personen im Visier

Ermittlungen wegen »Aufstachelung zum Rassenhass« nach Verbreitung von Aufklebern mit Konterfei des Holocaust-Opfers

  • Lesedauer: 3 Min.

Rom. Nach der Verhöhnung von Anne Frank im römischen Olympiastadion hat die Polizei mehrere Verdächtige ausgemacht. Durch die Auswertung des Materials von Überwachungskameras innerhalb des Stadions seien 16 Personen ermittelt worden, drei von ihnen seien minderjährig, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa am Mittwoch. Demzufolge wird wegen »Aufstachelung zum Rassenhass« ermittelt.

Der Präsident von Lazio Rom, Claudio Lotito, rechnet nicht mit einer Strafe für den Verein. Die Anne-Frank-Aufkleber seien eine Aktion von mehreren »Dummköpfen, die nicht wissen, was sie angerichtet haben«, zitierte ihn die »Gazzetta dello Sport«. Er kündigte an, dass künftig 200 junge Lazio-Fans jedes Jahr das Konzentrationslager Auschwitz besuchen sollen. »Die meisten unserer Fans sind gegen Antisemitismus«, so Lotito. Er besuchte am Dienstag eine Synagoge in Rom und legte dort einen Blumenkranz für die Opfer des Holocaust nieder. Dieser war kurz darauf von Unbekannten in den Tiber geworfen worden.

Die mit Faschisten durchsetzte Ultra-Gruppe »Irriducibili« wollten dem Club am Mittwoch nicht zum Spiel nach Bologna folgen, wie die »Gazzetta« berichtete. Die Lazio-Ultras fühlten sich gezwungen, darauf zu verzichten, »um nicht ‘Teil des Medientheaters’ der vergangenen Stunden zu werden«, zitierte das Blatt aus einer Mitteilung. »Unsere übliche Art und Weise, uns als Fans auszudrücken, könnte falsch verstanden werden von denjenigen, die Lazio und seinen Fans zuletzt schaden wollten.«

Im Olympiastadion von Rom waren am Montag Aufkleber mit dem Bild der von den Nazis ermordeten Anne Frank (1929-1945) im Trikot des Lazio-Erzrivalen AS Rom sowie judenfeindliche Sprüchen aufgetaucht. Bilder davon lösten in Italien einen Sturm der Entrüstung aus. Der Präsident von Italiens Olympischem Komitee (CONI), Giovanni Malagó, erklärte sich vor der antisemitischen Aktion sprachlos. »Das ruiniert all unsere bisherige Arbeit gegen den Rassismus«, kommentierte Malagó.

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Italiens Ruth Dureghello kommentierte ein Foto der Sticker bei Twitter mit den Worten: »Das ist keine Kurve, das ist kein Fußball, das ist kein Sport. Antisemitismus raus aus den Stadion.«

Auch Italiens Politik verurteilte die Vorfälle aufs Schärfste. Premierminister Paolo Gentiloni betonte, dass die »unglaubliche« und »nicht akzeptable« Tat nicht »kleingeredet« werden dürfe. Auch Staatspräsident Sergio Mattarella bezeichnete den Vorfall als »erschreckend« für Italien. Italiens Ex-Premier Matteo Renzi forderte, dass die Fußballklubs mit dem Judenstern der Nazis auf den Trikots auflaufen sollten.

Dieser Vorschlag wurde nicht umgesetzt. Aber in dieser Woche soll vor jedem Spiel in Italien aus dem Tagebuch der Anne Frank vorgelesen werden. Das hat der italienische Fußballverband bekanntgegeben. Darüber hinaus sollen die Begegnungen aller Ligen mit einer Schweigeminute für die Opfer des Holocaust beginnen. Agenturen/nd

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