»Kinderwohngeld« gilt als Einkommen

Hartz-IV-Urteile im Überblick

  • Lesedauer: 6 Min.

Das geht aus einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam vom 23. Oktober 2017 (Az. L 20 AS 1182/15) hervor.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind Hartz-IV-Bezieher von Wohngeldzahlungen ausgeschlossen. Sie können aber dennoch für ihr Kind »Kinderwohngeld« erhalten. Das Geld wird dann gezahlt, wenn das Kind weitere Einkünfte wie Unterhalt und Kindergeld hat und diese so hoch sind, dass es zusammen mit dem gezahlten Wohngeld nicht mehr auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist. Das Kinderwohngeld wird dabei anteilig nach den im Haushalt lebenden Personen berechnet.

Im entschiedenen Fall hatte eine alleinerziehende Hartz-IV-Bezieherin aus dem Raum Cottbus geklagt, die zusammen mit ihrem minderjährigen Sohn in einer 59 Quadratmeter großen Wohnung lebte. Sie verlangte höhere Arbeitslosengeld-II-Leistungen. Das Jobcenter hatte die Gesamtmiete direkt an den Vermieter gezahlt.

Bei der Hartz-IV-Berechnung hatte die Behörde der Mutter nicht nur ihre Einkünfte aus einem Minijob mindernd angerechnet, sondern auch die 168 Euro vom Kindergeld des Sohnes. Grund: Der Sohn habe so hohe eigene Einkünfte, dass dessen Lebensunterhalt mehr als gedeckt war. Denn er hatte Unterhalt von seinem getrennt lebenden Vaters und auch »Kinderwohngeld« erhalten, das die Mutter für ihren Sohn bekommen hatte wie auch das Kindergeld. Weil der Sohn mehr erhielt als er tatsächlich brauchte, müsse die Mutter sich daher den überschüssigen Teil des Kindergeldes als Einkommen zurechnen lassen.

Das hielt die Mutter für rechtswidrig. Das Kindergeld sei Einkommen des Kindes und dürfe auch nicht teilweise bei ihr als Einkommen berücksichtigt werden. Ihr stünden daher höhere Hartz-IV-Leistungen zu. Dagegen sei das Kinderwohngeld nicht als Einkommen bei ihrem Sohn anzurechnen. Denn der Wohngeldanspruch knüpfe an ihre Rechtsstellung als Mieterin an. Da sie Mieterin der Wohnung sei, könne ihr Sohn das Kinderwohngeld auch nicht selbst beanspruchen. Daher sei es auch nicht als sein Einkommen zu werten.

Ohne die Anrechnung des Kinderwohngeldes, wäre der Bedarf des Sohnes auch nicht ausreichend gedeckt gewesen. Folge davon sei, dass dann das Kindergeld voll zur Deckung des Bedarfs des Sohnes verwendet werden müsse. Eine Anrechnung des Kindergeldes als ihr Einkommen sei daher nicht möglich, so die Mutter.

Ihre Klage auf höhere Hartz-IV-Leistungen scheiterte vor dem LSG. Das Jobcenter habe das Kindergeld korrekt teilweise als Einkommen der Mutter und das Kinderwohngeld dem Kind als Einkommen zugesprochen.

Grundsätzlich sei zwar das Kindergeld als Einkommen des Kindes und nicht das der Eltern zu werten, aber nur soweit es für die Deckung des Kindesbedarfs ausreicht. Hier sei der Bedarf des Kindes mehr als gedeckt gewesen. In diesem Fall müsse der Teil des Kindergeldes, der nicht für den Bedarf des Kindes eingesetzt wird, der Mutter als Einkommen angerechnet werden (also 168 Euro).

Auch die Anrechnung des Kinderwohngeldes als Einkommen des Kindes sei nicht zu beanstanden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen seien Hartz-IV-Bezieher vom Anspruch auf Wohngeld ausgeschlossen. Erhalten sie jedoch Kinderwohngeld »für« ihr Kind, stelle dieses Einkommen des Kindes dar. Formal sei zwar die Mutter als Mieterin die Wohngeldberechtigte, tatsächlich müsse der Mietzuschuss aber nach Sinn und Zweck des Gesetzes dem Kind zugeordnet werden. epd/nd

Kein doppelter Kfz-Freibetrag bei einem Auto

Eine Familie, die sich gemeinsam ein Auto teilt, kann beim Hartz-IV-Antrag nicht mehrfach den Kfz-Freibetrag von 7500 Euro geltend machen.

Das entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen am 19. September 2017 (Az. L 11 AS 35/17).

Das Jobcenter in Wolfsburg hatte den Hartz-IV-Antrag abgelehnt, weil die Familie noch über verwertbares Vermögen oberhalb ihrer Vermögensfreibeträge von 16 050 Euro verfügte. Das Geld müsse zuvor für den Lebensunterhalt aufgebraucht werden. Die Familie habe nicht nur zwei Lebensversicherungen im Wert von jeweils 7800 Euro, sondern sei auch Eigentümer eines nur eineinhalb Jahre alten VW Golfs mit einem aktuellen Zeitwert von rund 11 000 Euro.

Das klagende Ehepaar meinte, dass ihnen höhere Freibeträge zustehen müssten. Dabei verwiesen sie auf die gesetzlichen Bestimmungen, wonach »ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person« nicht als Vermögen bei der Berechnung der Hartz-IV-Leistung berücksichtigt werden darf.

Das Bundessozialgericht (Az. B 14/7b AS 66/06 R) hatte am 6. September 2007 entschieden, dass ein Auto mit einem Zeitwert von bis zu 7500 Euro noch als angemessen zu gelten hat. Weil der VW ihnen gemeinsam gehöre, müsse der doppelte Kfz-Freibetrag von insgesamt 15 000 Euro angerechnet werden. Ein Verkauf des Autos als zu verwertendes Vermögen sei rechtswidrig, so die Kläger.

Das LSG gab jedoch dem Jobcenter Recht. Den Hartz-IV-Antrag durfte es wegen des noch vorhandenen Vermögens ablehnen. Zudem sei es nicht zulässig, dass für nur ein Auto die Kfz-Freibeträge mehrerer Personen addiert werden. epd/nd

Entschädigung für Ehrenamt mindert Hartz-IV-Leistung

Hartz-IV-Bezieher müssen sich eine Aufwandsentschädigung für eine ehrenamtliche Tätigkeit als Einkommen auf ihr Arbeitslosengeld II anrechnen lassen.

Dies entschied das Bundessozialgericht am 24. August 2017 (Az. B 4 AS 9/16 R). Geklagt hatte ein Hartz-IV-Bezieher, der ehrenamtlich für drei Personen als Betreuer tätig war. Im Jahr 2012 erhielt er eine Aufwandsentschädigung von 1000 Euro. Die Aufwandsentschädigung soll alle anfallenden Kosten der Betreuung abdecken.

Das Jobcenter wertete die Aufwandsentschädigung als Einkommen und minderte die Hartz-IV-Leistungen. Der Bezieher meinte, dass es sich um zweckgebundene Einkünfte handele, die nicht angerechnet werden dürfen.

Das BSG urteilte, dass die Aufwandsentschädigung Einkommen sei und mindernd auf das ALG II angerechnet werden muss. Es handele sich nicht um zweckbestimmte Einnahmen. Im konkreten Fall bekam der Kläger dennoch ausnahmsweise Recht, da das Jobcenter formal fehlerhaft die Hartz-IV-Bescheide erstellt hatte. epd/nd

Bei Zusammenleben mit Asylbewerber geringere Leistung

Hartz-IV-Bezieher müssen für ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld II für Alleinstehende auch tatsächlich alleine leben. Wohnen sie mit einem Flüchtling zusammen, der Asylbewerberleistungen erhält, können sie wegen des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft nur geringere Hartz-IV-Zahlungen beanspruchen.

So urteilte das Bundessozialgericht am 12. Oktober 2017 (Az. B 4 AS 37/16 R). Von einer Bedarfsgemeinschaft ist dann auszugehen, wenn der Regelbedarf für Hartz-IV-Leistungen und die Hilfen für Asylbewerber ähnlich hoch sind. Im konkreten Fall hatte ein afghanischer Flüchtling aus dem niederrheinischen Haminkeln Hartz-IV-Leistungen erhalten. Seine Ehefrau war jedoch noch auf Asylbewerberleistungen angewiesen, die teils bar, teils in Wertgutscheinen erbracht wurden.

Das Jobcenter sah in dem Zusammenleben des Paares eine Bedarfsgemeinschaft. Der Mann habe daher nur Anspruch auf den für Paare vorgesehenen Hartz-IV-Satz von 353 Euro.

Der Kläger beanspruchte jedoch Hartz IV für Alleinstehende (damals 391 Euro). Er verwies auf eine Entscheidung des BSG vom 6. April 2011 (Az. B 14 AS 171/10 R), das geurteilt hatte, dass Hartz-IV-Empfängern nicht das Arbeitslosengeld II gekürzt werden darf, nur weil sie mit einem Flüchtling zusammenleben, der Asylbewerberleistungen bezieht.

Doch für den Streitzeitraum September 2014 ist das nicht mehr gültig, befand nun der 4. Senat des BSG. Denn damals seien die Leistungen infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts annähernd auf Hartz-IV-Niveau angeglichen worden. Damit kann nun von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen werden. Mittlerweile wurden die Asylbewerberleistungen wieder gesenkt. Ob unter diesen Voraussetzungen weiterhin von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen werden kann, hatte das BSG nicht zu entscheiden. epd/nd

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