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Hochzeitsprämien für Gemeinden

Thüringen: Rot-Rot-Grün will für Zusammenschlüsse 200 Euro pro Einwohner zahlen

  • Lesedauer: 3 Min.

Erfurt. Nach dem Scheitern der Gebietsreform macht die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Erfurt den Weg für freiwillige Gemeindefusionen in Thüringen frei. Der am Mittwoch im Landtag in Erfurt erstmals diskutierte Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass für Zusammenschlüsse Prämien vom Land in Höhe von 200 Euro pro Einwohner gezahlt werden. Das ist doppelt so viel Geld pro Einwohner wie im Gesetz zur Gebietsreform vorgesehen war, das vom Verfassungsgericht in Weimar gekippt wurde. Insgesamt will das Land zur Unterstützung von Gemeindefusionen wie geplant 155 Millionen Euro ausgeben. In dem Betrag enthalten sind auch Gelder, die zur teilweisen Entschuldung von klammen Gemeinden dienen sollen.

Rot-Rot-Grün hatte im November entschieden, die Gebietsreform mit einer Neugliederung der Kreise und Größenvorgaben für kreisfreie Städte zu stoppen. Zuvor hatte das Verfassungsgericht das erste Gesetz für die Reform gekippt. Die Regierungskoalition will sich in der Legislaturperiode bis 2019 nach eigenen Angaben darauf konzentrieren, freiwillige Fusionen zu größeren kommunalen Strukturen zu fördern.

Der kommunalpolitische Sprecher der LINKE-Fraktion, Frank Kuschel, sieht in dem Gesetzesentwurf den Beleg, dass es mit der Gebietsreform weiter gehe - auch wenn das Kernprojekt der Regierungskoalition mehrfach für tot erklärt worden sei. Die noch einmal aufgestockten Neugliederungsprämien seien auch als Appell an alle fusionswilligen Gemeinden zu verstehen, sich nun auf den Weg zu einem Zusammenschluss zu machen. Anders als zu Beginn der rot-rot-grünen Koalition geplant, wollen LINKE, SPD und Grüne nur noch solche Gemeinden zusammenlegen, die das auch selbst wollen.

Obwohl die CDU als größte Oppositionsfraktion für Freiwilligkeit bei Gemeindefusionen plädiert, kam von ihr harsche Kritik zu dem Gesetzentwurf. Der neue parlamentarische Anlauf der Koalition sei der letzte Versuch, die Gebietsreform noch durch die Hintertür anzuschieben, sagte der CDU-Abgeordnete Jörg Kellner. »Man versucht das jetzt mit viel Geld den Leuten schmackhaft zu machen.« Der AfD-Abgeordnete Jörg Henke sagte, Rot-Rot-Grün wolle die Kommunen kaufen. In der Landtagsdebatte um den Gesetzentwurf räumte der Grünen-Fraktionschef Dirk Adams ein, Rot-Rot-Grün habe bei der Umsetzung der Gebietsreform Fehler gemacht. »Wir haben zu viel gewollt«, sagte er. Auch habe das Bündnis zu stark auf die Gesprächsbereitschaft von Kritikern des Vorhabens vertraut.

Rot-Rot-Grün plant zudem, über Volksbegehren den Thüringern mehr Mitsprachemöglichkeiten auch bei Finanzfragen zu ermöglichen. Das sieht ein entsprechender Gesetzentwurf vor, den die Koalitionsfraktionen ebenfalls am Mittwoch dem Landtag vorlegten. Vorgesehen sei, dass der sogenannte Finanzvorbehalt für Volksbegehren künftig nur noch sehr eingeschränkt gelte, sagte die Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Susanne Hennig-Wellsow. Die Regel, nach der Volksbegehren mit direkten Auswirkungen auf den Landeshaushalt tabu sind, ist seit Jahren umstritten. Der Gesetzentwurf soll in den kommenden Wochen im Innen- und Justizausschuss des Parlaments weiter beraten werden.

Am Donnerstag stimmte der Landtag mit der Mehrheit von Linkspartei, SPD und Grünen einem Gesetzentwurf der Landesregierung zu, wonach das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung in Thüringen ab 2018 beitragfrei ist. »Ich halte das für einen riesengroßen Schritt für Thüringen«, sagte Bildungsminister Helmut Holter (LINKE). CDU und AfD betonten, das Gesetz sei unzureichend und enthielten sich bei der Abstimmung.

Mit dem beitragsfreien Kita-Jahr setzt Rot-Rot-Grün drei Jahre nach dem Regierungswechsel eines ihrer großen Versprechen um. »Die Koalition hat geliefert. Die Koalition hält Wort«, sagte Holter. Nach Angaben des Bildungsministeriums sparen Eltern dadurch im Schnitt 1440 Euro im Jahr pro Kind.

Auf Drängen von Interessenvertretern und Grünen sollen nun auch mehr Betreuer in den Kitas eingestellt werden. Das Gesetz sieht vor, die Betreuungsquote bei den Drei- bis Vierjährigen schrittweise zu senken. Derzeit kommt ein Erzieher auf 16 Kinder, bis August 2019 sollen es zwölf Kinder sein. Insgesamt plant die Regierung rund 65 Millionen Euro jährlich für die Vorhaben ein, davon 29 Millionen für das beitragsfreie Kita-Jahr. dpa/nd

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