Klimaziele? Fehlanzeige

Wer von der zu bildenden Bundesregierung schnelles umweltpolitisches Voranschreiten erwartet, wird enttäuscht

  • Verena Kern
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus Union und SPD, über den derzeit die SPD-Mitglieder abstimmen, ist alles andere als eine klimapolitische Glanzleistung. Stimmen die sozialdemokratischen Genossen bis Anfang März der Vereinbarung zu und kommt es voraussichtlich bis Ostern zu einer neuen Großen Koalition, stehen Deutschland beim Klimaschutz wenig ambitionierte Jahre bevor.

Zwar soll, so haben es die Verhandler beschlossen, der Kohleausstieg endlich angepackt werden. Allerdings muss man sich dies als sehr langfristiges Unterfangen vorstellen. Als erste Maßnahme wollen Union und SPD lediglich eine Kommission einsetzen, die schließlich ein Ausstiegsdatum vorschlagen soll. Auch ein Klimaschutzgesetz ist zum ersten Mal geplant. In den letzten Jahren hatten die Großkoalitionäre solche Pläne immer abgelehnt.

Doch auch in diesem Punkt gibt es wieder ein Aber: Das geplante Klimaschutzgesetz soll lediglich das Klimaziel für 2030 in Gesetzesform gießen, nämlich 55 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990. Das Klimaziel für das Jahr 2020, das eine Reduktion von 40 Prozent vorsieht, wollen Union und SPD hingegen aufgeben - zwar nicht ausdrücklich, jedoch implizit. Man wolle »Ergänzungen vornehmen, um die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 so schnell wie möglich zu schließen«, heißt es etwas verklausuliert im Koalitionsvertrag.

Insgesamt war den Verhandlern das so wichtige Thema Klimaschutz nur anderthalb von fast 200 Seiten Koalitionsvertrag wert. Und selbst bei den eher bescheidenen Vorhaben, die der Vertrag formuliert, sind wohl noch etliche Fragezeichen angebracht, wie eine Bundestagsdebatte zu den Klimazielen am Donnerstag zeigte.

Gerade einmal 38 Minuten lang diskutierten die Abgeordneten über mehrere Anträge zum Thema Klimaschutz, die die Oppositionsparteien Grüne, Linke und FDP gestellt hatten. Die Grünen forderten in ihren drei Anträgen, dem Klimaziel 2020 »höchste Priorität« einzuräumen, den Kohleausstieg schnellstmöglich einzuleiten sowie die Windenergie beschleunigt auszubauen. Die Anträge waren bereits in den Bundestagsausschüssen gewesen und fielen bei der anschließenden Abstimmung erwartungsgemäß durch.

Die LINKE forderte in ihrem Antrag ebenfalls die »unverzügliche« Abschaltung der 20 ältesten Braunkohlekraftwerke sowie ein Kohleausstiegs-Rahmengesetz. Die FDP wiederum will, dass auch die Sektoren Verkehr, Gebäude sowie Land- und Forstwirtschaft in den Emissionshandel einbezogen werden, zunächst national, dann auch EU-weit. Zudem soll die umstrittene CCS-Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2 gefördert werden. »Transferzahlungen an arme Länder« sollen indes an die Bedingung geknüpft werden, dass diese Länder ebenfalls einen Emissionshandel einführen.

In der Debatte machten die künftigen Großkoalitionäre indes klar, dass sie von größeren klimapolitischen Ambitionen und einem schnelleren Ausbau von Ökoenergien herzlich wenig halten. Was im Koalitionsvertrag steht, ist offenkundig schon die Oberkante, mehr geht in der kommenden Legislatur nicht.

Einen »blinden massiven Zubau« von noch mehr Windrädern werde es nicht geben, dieser Ausbau sei »teilweise sehr teuer und nutzlos«, sagte etwa Jens Koeppen (CDU). Solange es nicht genug Stromnetze gebe, die den Strom bundesweit verteilen könnten, bringe weiterer Zubau nichts. »Sie können nun mal nicht gleichzeitig aus der Atomkraft und der Kohle aussteigen«, erklärte Koeppen. Auch seine Kollegin Anja Weisgerber plädierte sehr engagiert für »Realismus« und »Augenmaß« - und dämpfte damit ebenso die Aussichten für die kommenden Jahre.

Dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 nicht schaffen wird, sei »bitter«, räumte Frank Schwabe von der SPD ein. Er sprach gar von »politischem Versagen« - bezogen auf die Regierungen der letzten zehn Jahre, womit er auch die FDP in die Verantwortung holte, die bis 2013 mit der Union regiert hatte. Doch nun solle man sich auf die Ziele für 2030 konzentrieren und »daran arbeiten, dass das Klimaschutzgesetz möglichst gut wird«, empfahl Schwabe. »Das wird schwierig genug.« Die Bundestagsdebatte vermittelte einen ersten Eindruck davon, dass Schwabe nicht übertreibt.

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