Die Kundschafterin

LESEPROBE

  • Lesedauer: 2 Min.
Oft bin ich angesichts der persönlichen Bilanz meiner Kundschaftertätigkeit gefragt worden, ob sie das alles denn wert gewesen sei, da sie sich ja ncht einmal finanziell gelohnt habe. Doch immer musste ich mit der Antwort enttäuschen, dass die Frage zwar menschlich verständlich, aber zugleich höchst unpolitisch sei. Gewiss, vordergründig und noch dazu aus der Retrospektive urteilend, haben sie recht. Aber stets über sehen sie die konkrete zeitgeschichtliche Konstellation zum Zeitpunkt meines Handelns und dass diese nicht deshalb schon an Relevanz verliert, weil sie im Rückblick plötzlich unbedeutend scheint. Sie war vielmehr die Realität, in der sich wesentliche Jahre meines Lebens vollzogen und ich meinen politischen Standort fand. Ob dieser lediglich ein vermeintlich falscher und gar ein unproduktiver gewesen ist, weil die DDR unterging, mag man an Stammtischen diskutieren. Die Geschichte wird es nicht kümmern. Sie verläuft nicht bloß in den Bahnen der Restauration. Sie kennt ebenso die Perioden des Umbruchs und der revolutionären Erneuerung. Nichts bleibt, wie es ist. Dieses eherne Gesetz der Geschichte gilt auch für den neuen gesamtdeutschen Staat.

Aus den Erinnerungen von Gabriele Gast, »Kundschafterin des Friedens. 17 Jahre Topspionin der DDR beim BND« (448 S., br., 9,99 €). Die am 2. März 1943 in Remscheid in einem konservativen Elternhaus geborene Politikwissenschaftlerin promovierte in Aachen über die politische Rolle der Frau in der DDR; während ihrer Recherchen hierzu wurde sie in Karl-Marx-Stadt von der HVA angeworben. Seit 1973 in Pullach tätig, stieg sie im BND bis zur Regierungsdirektorin auf. 1990 durch Verrat enttarnt, wurde sie zu sechs Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt; davon verbrachte sie 15 Monate in verschärfter Einzelhaft.

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