Lückenlose Überwachung geplant

China setzt voll auf die Digitalisierung und nutzt die Möglichkeiten, mit modernen Technologien die Bevölkerung zu kontrollieren

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist das erklärte Ziel der chinesischen Führung, dem Land wieder die internationale Rolle zukommen zu lassen, die sie als rechtmäßig empfindet. Seit Jahrzehnten wächst die Wirtschaft, wachsen die Militärausgaben, investiert das Land in Zukunftstechnologien. Und nun gab Premier Li Keqiang auf der Tagung des Nationalen Volkskongresses die Losung aus: »Wir bauen ein digitales China auf.«

Die Digitalisierung hat in China aber auch Schattenseiten. Wie kaum ein anderes Land der Welt setzt die Führung darauf, die Bevölkerung mit Hilfe moderner Technologien zu kontrollieren.

Das Land der Mitte hat mit 770 Millionen Nutzern die größte Internetgemeinde der Welt. Die ist allerdings stark in ihrer Freiheit beschnitten. Das Netz wird extrem stark überwacht und zensiert. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch stellt fest: »Die Aussichten für grundlegende Menschenrechte, einschließlich der Freiheit der Meinung, Versammlung, Vereinigung und Religion, bleiben düster.« Die Menschenrechtsorganisation stuft China auf Platz 176 von 180 beim Thema Pressefreiheit ein, nirgends sonst sind so viele Journalisten und Blogger in Haft.

Dabei sind Chinesen begeistert von Technologie: Mehr als 525 Millionen Menschen bezahlen mobil mit dem Smartphone, mit den 500 Millionen Kunden des Internetkonzerns Alibaba kann sonst nur Amazon mithalten, rund 980 Millionen Menschen weltweit nutzen die Allzweckplattform WeChat des chinesischen Internetkonzerns Tencent, das damit die einzige ernstzunehmende Konkurrenz für den US-amerikanischen Konzern Facebook ist.

Viele Nutzer bedeuten auch in China viele Daten, und die Regierung zeigt sich gewillt, diese Daten auszuwerten und zu nutzen. Die dortigen Gesetze kennen keinen Datenschutz und ermöglichen den maximalen Durchgriff des Staates. In diesem Jahr fand ein Test statt, bei dem Polizisten mit digitalen Brillen ausgestattet wurden, die in Echtzeit Gesichter erkennen und Informationen zu den Personen liefern. Dank biometrischer Ausweise hat der Staat eine Datenbank mit den Gesichtern aller 1,3 Milliarden Erwachsenen im Land. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit betreibt landesweit 170 Millionen Kameras, in drei Jahren sollen es 400 Millionen sein. Damit wird es nicht mehr möglich sein, sich unbemerkt mit anderen Personen zu treffen. Noch liegt die Betonung auf der Verbrechensbekämpfung. Doch zunehmend werden auch Begriffe wie »öffentliche Sicherheit« und »Wahrung der Stabilität« eingebracht.

In der muslimisch geprägten Region der Provinz Xinjiang wird die Polizei bereits jetzt gewarnt, wenn bestimmte Personen ein abgestecktes Gebiet verlassen. Auch hat die chinesische Führung in den vergangenen Jahren bei Gesundheitschecks nebenbei die DNA sämtlicher Uiguren, einer muslimischen Minderheit, registriert.

Dazu kommt, dass bis 2020 ein flächendeckendes sogenanntes »soziales Kreditsystem« eingeführt werden soll. Wer sich gut verhält, wird belohnt. Wer Blut spendet oder Alten hilft, erhält Pluspunkte. Je mehr Punkte eine Person bezieht, als desto vertauensvoller wird sie eingestuft und genießt Vorzüge wie Kredite oder Rabatte. Wer sich dagegen nicht »ehrlich« verhält, soll Abzüge erleiden. Schlimmstenfalls landet eine Person auf einer schwarzen Liste und wird lückenlos beobachtet. Kritik an der Führung wird so unmöglich.

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