Falsches Spiel am Maybachufer

Ehemalige Sozialmieter fühlen sich der Willkür des Hauseigentümers ausgesetzt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich war naiv«, sagt Denny Chakkalakal von der Neuköllner Mieterinitiative »Mani & May«. »Ich dachte, wenn wir uns engagieren, dann wird das zwar eine harte Zeit, aber wir haben die Chance, die Ungerechtigkeit einzugrenzen.« Inzwischen glaubt er nicht mehr daran. Denn die Eigentümer von 99 ehemaligen Sozialwohnungen in den Häusern Maybachufer 40-42 und Manitiusstraße 17-19 fühlen sich an alte Zusagen zur Stundung von Mieterhöhungen nicht mehr gebunden.

»Es gab eine Zusicherung, dass die Prüfung der Einkommensverhältnisse durch die vom Senat beauftragte Mietzuschussstelle anerkannt wird«, erklärt Wohn-Staatssekretär Sebastian Scheel (LINKE) am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses. »Davon ist Abstand genommen worden«, so Scheel weiter.

Rückblende: Ende 2017 forderte die Hauseigentümerin unter Berufung auf das für Sozialwohnungen gültige Kostenmietrecht Mieterhöhungen um bis zu 330 Euro pro Wohnung (»nd« berichtete). Die Investitionsbank Berlin (IBB) als Aufsichtsbehörde hält die geforderte Miete für unzulässig, mehrere Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sind anhängig. Wegen laufender Rechtsstreitigkeiten und des öffentlichen Protests erklärte sich die Eigentümerin bereit, diese Erhöhung bis zu einer gerichtlichen Entscheidung zu stunden. Parallel wurde jedoch eine Erhöhung nach allgemeinem Mietrecht ausgesprochen. Wer Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hatte, der sollte jedoch bis Ende 2018 weiterhin nur die Ursprungsmiete bezahlen.

»Wir haben einen Raum organisiert und auch Dolmetscher, damit die Menschen die Anträge auch ausfüllen konnten«, berichtet Chakkalakal. Es habe Betroffene gegeben, die in einem Jahr zehn oder zwölf verschiedene Arbeitsstellen bei Zeitarbeitsfirmen hatten, was Riesenaufwand bedeutete, schildert er. »Wir haben lauter Dinge gemacht, die eigentlich Aufgabe der Stadtentwicklungsverwaltung gewesen wären, wenn sie uns wie versprochen, wirklich hätte unterstützen wollen«, sagt Chakkalakal.

29 Anträge seien bei der Mietzuschussstelle ZGS eingegangen, beim Bezirk Neukölln 19 Wohnberechtigungsscheine (WBS) beantragt, teilt Staatssekretär Scheel mit. Wie viele Überschneidungen es dabei gebe, wisse er nicht. »Wir haben die WBS-Anträge bevorzugt behandelt«, sagt der zuständige Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) auf nd-Anfrage. Bei drei bis vier Wohnberechtigungsscheinen fehlten noch Unterlagen.

»Inzwischen besteht die Hausverwaltung auf der Vorlage eines WBS«, sagt Chakkalakal. Damit sei für viele Mieter ein abschreckender Aufwand verbunden. Doch wenn die gewährte Stundung wegfällt, können sich viele die dann fälligen Nachzahlungen nicht leisten - geschweige denn die neue Miete. Die zuständige Hausverwaltung Beta Immobilien GmbH will von einer Änderung der Spielregeln nichts wissen. Auf die Mietzuschussstelle ZGS habe man auf Wunsch der IBB verwiesen, erklärt sie auf nd-Anfrage. Der WBS selbst müsse jedoch behördlich ausgestellt werden. »Eine ›Bestätigung der Berechtigung auf einen Wohnberechtigungsschein‹ kennen wir nicht und ist leider auch nicht ausreichend«, so die Beta Immobilien.

»Die Kommunikation zwischen Vermieter und Mietern, ob eine ZGS-Prüfung ausreichen würde oder die Vorlage des WBS erforderlich sei, war nicht Gegenstand unserer Vereinbarung. Deshalb können wir uns dazu nicht äußern«, heißt es bei der IBB auf nd-Anfrage.

»Der Eigentümer scheint den Hals nicht voll zu kriegen. Statt sich an seine Zusage zu halten, gängelt er die MieterInnen mit Mieterhöhungen und verursacht massive Angst vor Wohnraumverlust«, sagt Grünen-Wohnungsmarktexpertin Katrin Schmidberger. Frei gewordene Wohnungen werden derweil für 13 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter inseriert.

Es sei »zentral wichtig, dass wir bald eine gute Reform des Sozialen Wohnungsbaus auf den Weg bringen, um solche Missstände zukünftig zu verhindern«, fordert Schmidberger. Seit über einem Jahr können sich die Koalitionspartner nicht darauf einigen. »Aber auch der Senat könnte durch eine Rechtsverordnung bereits ohne das Parlament Abhilfe schaffen.« Einen entsprechenden Entwurf hatte der Jura-Professor Martin Schwab bereits Mitte Dezember vorgelegt.

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