»Du hast einen Hit gelandet ...«

Wie Roland Beier auf Marx kam, der ihn weltberühmt machte

Darf man Witze über Marx machen? Ihn karikieren? Oder wäre dies Blasphemie? Nur für jene, die noch einer Hagiographie früherer Zeiten frönen, die dem Philosophen aus Trier gewiss nicht recht gewesen wäre. Natürlich gibt es böswillige, gemeingefährliche Witze und Karikaturen mit antisemitischer und antikommunistischer Konnotation. Aber viel mehr intelligente, sinnige und stimmige, dereinst nicht nur aus dem Volksmund der DDR sprudelnd. Beispiel gefällig? Warum überquert das Huhn die Straße? Plato meint: »Für ein bedeutendes Gut.« Aristoteles: »Es ist die Natur von Hühnern, Straßen zu überqueren.« Hamlet: »To go, or not to go?« Karl Marx aber weiß: »Es war historisch unvermeidlich.« Schließlich meldet sich das Huhn zu Wort: »Warum fragt mich niemand?«

Nun ja. Man darf jedenfalls annehmen, dass Marx - ein humoriger, schlagfertiger Mann, für Ulk und Schabernack vor allem mit seinen drei Töchtern und dem »General« stets zu haben (sehr schön beschrieben in »Mohr und die Raben von London« von Vilmos und Ilse Korn, jetzt neu bei Eulenspiegel/Kinderbuchverlag erschienen) -, sich gelassen oder gar amüsiert gezeigt hätte. Gebar doch sein Esprit selbst gar manch derben Scherz, spottete und stichelte er emsig auch gegen die eigenen Genossen. Sein Hohn hätte erst recht jenen Nachfahren gegolten, die seine Ideen verhunzten, vergewaltigten.

Gewiss hätte er über die schönste Marx-Karikatur aller Zeiten geschmunzelt. Sie stammt von Roland Beier, seines Zeichens Gebrauchsgrafiker, und entstand im turbulenten Jahr 1990, als eine Ära zu Ende ging. Die kecke Zeichnung zeigt den Philosophen etwas ratlos, zugleich selbstbewusst-trotzig die Hände in den Hosentaschen: »Tut mir leid, Jungs! War halt nur so ’ne Idee von mir ...« Diese Unterzeile hat seinerzeit so manchen, von den Ereignissen überraschten und enttäuschten Genossen erbost, wurde als Affront gewertet. Als Aufruf gar, den Marxismus zu entsorgen. »Unsinn«, sagt Beier, der noch heute stolz auf sein Produkt ist. Nicht nur, weil diese Karikatur ihn schlagartig weltberühmt machte. Er findet seinen Marx schön. Und erntete damals auch viel ehrliche, neidlose Anerkennung von Kollegen. Manfred Bofinger ermunterte ihn: »Mensch Beier, du hast einen Hit gelandet. Du musst jetzt nachschieben.«

Leichter gesagt als getan. Beier erging es wie vielen DDR-Künstlern. Sie mussten sich nach der Vereinigung in der realkapitalistischen Marktwirtschaft neu orientieren. Beier verdiente seine Brötchen mit der Illustrierung von (West-)Schulbüchern. Was er auch gern tat. Er ist Marx dennoch treu geblieben, hat zu dessen 200. Geburtstag ein knallrotes Logo gestaltet, obwohl er schon vor über zehn Jahren umsattelte. Der 1955 im sächsischen Meißen in einer Porzellanmalerfamilie geborene Absolvent der Hochschule für Bildende Künste in Dresden sowie der Kunsthochschule Berlin-Weißensee macht jetzt in Porzellanmalerei. Freilich, er begnügt sich nicht damit, Vasen zu verzieren. Er hatte eine originelle Eingebung, zaubert nunmehr abstrakte Kunst auf (zumeist) quadratische Porzellanplatten, teils einen Meter mal einen Meter messend. Sein Marx-Plakat boomt noch immer. Man kann es beim Meister für zehn Euro erwerben.

Roland Beier, Rohrwallallee 46, 12527 Berlin; roland.beier.grafik@t-online.de

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