Lob für einen Viertligisten

Lok Leipzig hat zwei Jugendtrainer rausgeworfen, die den Hitlergruß zeigen ließen. Keine Häme, sondern einen Ehrenpreis verdient der Klub dafür. Loks Handeln ist mehr wert als wohlfeile Bekenntnisse gegen Rassismus, findet Christoph Ruf

Zunächst zum großen Fußball. Wie kurzweilig die erste Liga ist, wurde am Sonnabend auf der Fahrt mit ICE 605 deutlich. Der Zug ist bei Fußballfans beliebt, bietet er doch die letzte Chance, aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland mit ihren, grob geschätzt, 37 Erstligastadien, noch Richtung Süden zu kommen. Ab Limburg hatten all die Dortmunder, Schalker, Gladbacher, Freiburger, Mainzer und sonstige Sympathisanten, die gen Süden wollten, ein einendes Thema: Die gerade ausgestiegenen Bayernfans, die Jubellieder auf den Meisterschaftsgewinn vor sich hingeträllert hatten. »Die freuen sich da noch drüber«, sagte ein BVB-Fan. Er war völlig fassungslos.

Spannung herrscht hingegen am Tabellenende, wo es den Hamburger SV oder Wolfsburg zusammen mit Köln schon am kommenden Wochenende in die 2. Liga ziehen wird. An dieser Konstellation ist eine Sache problematisch: Beide hätten den Abstieg verdient. Und wenn es so läuft wie fast immer, wird sich einer der beiden in der Relegation retten. Das Erstligapublikum muss sich also ein weiteres Jahr mit einem Verein rumärgern, der jedes Jahr mit Unsummen von Gold Scheiße baut - bei König Midas war das noch umgekehrt.

So viel zu den Banalitäten des Geschäfts. Am 8. Mai wird in Karlsruhe eine Stele zu Ehren von Walther Bensemann enthüllt. Der »kicker«-Gründer war ein begnadeter Journalist und gründete im Südwesten und in der Schweiz um die Jahrhundertwende ein paar Fußballvereine. Doch auch einige der Klubs, die er selbst ins Leben gerufen hatte, fanden es eine gute Idee, sich im April 1933 in vorauseilendem Gehorsam als »judenfrei« zu erklären. Man hoffte auf Fleißpunkte im Klassenbuch der NS-Machthaber. Rassismus, Antisemitismus und andere gefährliche Dummheiten haben immer auch viel mit Opportunismus zu tun. Die NSDAP-Herrschaft wäre weder ohne ihre fanatische Anhängerschaft denkbar gewesen noch ohne die Bereitschaft von Millionen von Menschen, sich mit Verbrechern zu arrangieren.

Heute kosten Bekenntnisse »gegen Rechts« nichts. Sie sind von einem Statement, das noch vor 20 Jahren die meisten Vereine verweigert hätten, zum Status quo geworden. Was an sich ja auch ein gutes Zeichen ist. Doch Bekenntnisse gegen Ausgrenzung werden im deutschen Fußball mittlerweile eher inflationär zelebriert, es gibt dann Applaus von Menschen, die es sicher gut meinen, sich damit aber auch stets ihrer eigenen tadellosen Gesinnung versichern. Das mag ein Signal sein, ändern tut es nicht viel.

Deshalb ist es so bemerkenswert, was in der vergangenen Woche beim 1. FC Lokomotive Leipzig passiert ist. Der Viertligist hat zwei B-Jugendtrainer suspendiert, die ihre Spieler dazu gebracht hatten, auf einem Mannschaftsfoto mit Hitlergruß zu posieren. Und er hat das begründet: »Beim Zeigen dieses Grußes handelt es sich nicht nur um den Straftatbestand der Volksverhetzung. Er steht stellvertretend für die millionenfache Ermordung von Menschen in einem Unrechtssystem. Das ist also weder ein Kavaliersdelikt noch eine Provokation oder gar ein ›Spaß‹.«

Das waren die richtigen Worte zu den folgerichtigen Konsequenzen. Und, nein, das ist keine banale Feststellung, denn noch heute passiert es oft, dass Vereine, gerade in den unteren Ligen, ähnliche Vorfälle am liebsten vertuschen. Und zwar auch dann, wenn auf ihrer Facebook-Seite Bekenntnisse gegen Rechts stehen. Angst haben sie eher vor der Presse, die solche Ereignisse angeblich »aufbauscht«, als vor den Nazis in den eigenen Reihen.

Auch in Leipzig wären die Taten der beiden B-Jugendtrainer mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, wenn die Vereinsvertreter nicht von sich aus aktiv geworden wären. Zudem wissen sie bei Lok, dass viele Fußballfans, die sich mit den Gegebenheiten in Leipzig nicht auskennen, auf die Nachricht eher lapidar reagiert haben dürften. Mal wieder eine rechtsextreme Aktion bei einem Verein, dem man aus der Entfernung nichts anderes zutraut - so das Klischee. Dabei hätte Lok statt Gleichgültigkeit oder Hohn etwas anderes verdient. Nämlich den Julius-Hirsch-Preis, mit dem der DFB jedes Jahr Menschen auszeichnet, die sich »für die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen und gegen Antisemitismus und Rassismus« engagieren. Das tun heute glücklicherweise viele. Doch selten gehört dazu auch so viel Mut und Überzeugung, wie sie bei Lok Leipzig gerade gezeigt haben.

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