Der HSV kommt nach Aue

Der FC Erzgebirge schafft in der Relegation den Klassenerhalt. Der wird im nächsten Jahr noch schwerer

Sören Bertram hatte alle drei Treffer geschossen beim 3:1-Sieg seines FC Erzgebirge Aue gegen den Karlsruher SC. Kein Wunder also, dass sein Arbeitstag nach Ablauf des zweiten Relegationsspiels noch lange nicht zu Ende war. Von den Auer Fans, die nach dem Schlusspfiff auf dem Rasen feierten, wurde er auf Schultern getragen, von den Mitspielern fast erdrückt. Und als all das überstanden war, galt es auch noch Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Auch dabei machte er eine gute Figur, denn siehe da, der Mann hatte von einer ganz besonderen Aufputschhilfe fürs Spiel zu berichten. »Ich habe ein schwarz-weiß blaues Herz«, sagte der in der Lüneburger Heide aufgewachsene 26-Jährige. »Und der Trainer hat mich damit motiviert, dass es doch ganz schön wäre, wenn ich demnächst zweimal gegen den HSV spielen könnte.« Das fand er auch, zumal alle seine Teamkollegen den Hamburgern zuvor den Abstieg in die 2. Liga gewünscht hätten, wie er nachschob.

Dort spielt Aue nun auch weiterhin, denn nach dem ereignisarmen 0:0 im Hinspiel hatte die Mannschaft das Versprechen ihres Trainers Hannes Drews eingelöst, »offensiv eine Schippe draufzulegen«. Es waren so viele Schippen, dass Karlsruhe bis auf eine kurze Phase vor und nach dem zwischenzeitlichen 1:1 durch Fabian Schleusener (44.) den Auer Angriffsschwung recht orientierungslos über sich ergehen ließ. Bei allen Toren von Bertram (25./53./75.) zeigte sich die KSC-Abwehr, die in der 3. Liga 21 Mal ohne Gegentor geblieben war, sehr anfällig. Die 2000 Karlsruher Fans kapitulierten alsdann lange vor Schlusspfiff auch vor der akustischen Übermacht der Auer Anhänger im frisch renovierten Erzgebirgsstadion.

Als der Stadionsprecher die Feiergemeinde noch mal zu einem Jubel aufforderte, »den man bis nach Frankfurt hört«, wusste jeder, was gemeint war: Aue hatte sich in drei der letzten vier Saisonspiele über Benachteiligungen durch Schiedsrichter echauffiert. Beim 0:1 in der letzten Partie in Darmstadt waren sie so eklatant ausgefallen, dass sich bundesweit Fans und Vereinsvertreter mit den Sachsen solidarisierten, als diese gleich zweimal beim DFB-Sportgericht in Frankfurt erfolglos gegen die Spielwertung protestiert hatten.

Als spielstärkstes Team der unteren Tabellenhälfte hätte Aue nach einer mehr als soliden Saison mit 40 Punkten eigentlich nichts mit der Relegation zu tun haben dürfen. Umso größer war die Verbitterung danach. »Zeit für Gerechtigkeit«, hatte ein lokales Anzeigenblatt pathetisch getitelt - und darunter einen Vorbericht zum Relegationsrückspiel gesetzt. Das erste Statement von Trainer Drews nach dem Erfolg war dann auch eine Referenz an die jüngsten Vorkommnisse: »Mit dem Sieg ist alles, was in Darmstadt passiert ist, passé.«

Alles andere als passé ist hingegen der Standortnachteil, der für den Traditionsverein aus dem Erzgebirge in der kommenden Saison noch stärker durchschlagen dürfte. Dann werden fast ausschließlich attraktive Vereine wie Köln, der HSV, oder der FC St. Pauli mitspielen. Aus ostdeutscher Perspektive sind zudem die Duelle gegen Magdeburg, Dresden oder Union Berlin attraktiv. Und doch dürfte es für einen Verein wie Aue, der auf die Unterstützung vieler Mittelständler baut, sehr schwer werden, einen konkurrenzfähigen Kader zusammenzustellen. Der HSV und Köln werden mit Budgets ins Rennen gehen, die deutlich über 30 Millionen Euro liegen werden - allein für die Lizenzspieler. Aue plant mit einem Gesamtetat von 15,5 Millionen Euro. Der Klassenerhalt dürfte damit noch schwerer werden als in der gerade zu Ende gegangenen Saison.

Noch gravierendere Sorgen hat derweil der KSC, der nach der verlorenen Relegation um die Lizenz für die 3. Liga kämpft. Bis Dienstag müssen die Auflagen und Bedingungen erfüllt sein, die der DFB verlangt. Rund 1,2 Millionen Euro an Fernseheinnahmen erwarten einen Drittligisten, bei einem Aufstieg wären es mindestens acht Millionen gewesen.

Der KSC wird daher mit einem deutlich abgespeckten Kader in die neue Saison gehen müssen. Dass man dennoch allein aus wirtschaftlichen Gründen zum Aufstieg verdammt ist, macht die kommenden Wochen für Sportdirektor Oliver Kreuzer nicht leichter. Der kündigte bereits in Aue »schmerzhafte Einschnitte« an. »Wir werden jetzt zwei Tage trauern und dann geht die Arbeit erst richtig los.«

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