Vorhang zu für den Haustarif

Kommunale Theater und Orchester in Sachsen sollen mehr Geld vom Land bekommen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war schon von Insolvenz die Rede. Im Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz und Zittau drohte die Pleite, als zu Jahresbeginn Tarifverhandlungen liefen. Müssten Schauspieler, Sänger, Tänzer und Techniker nach Flächentarif bezahlt werden, würde der 13-Millionen-Euro-Etat »komplett aufgefressen«, sagte Geschäftsführer Caspar Sawade im Januar in einer Anhörung im Landtag. Er kann nur Gehälter zahlen, die 15 Prozent unter dem Flächentarif liegen, ein Zustand, der »ernüchternd, wenn nicht demoralisierend« sei.

Jetzt schickt sich die CDU/SPD-Landesregierung an, für steigende Moral auf Bühnen und in Orchestergräben zu sorgen. Das Kabinett beschloss in dieser Woche eine Vorlage von Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD), wonach der Freistaat »den Trägern der kommunalen Theater und Orchester finanziell unter die Arme« greife. In den nächsten vier Jahren sollen je sieben Millionen Euro fließen, um Gehälter anheben zu können. Die Beschäftigten in Theatern und Orchestern leisteten »eine hervorragende Arbeit und erhalten die kulturelle Vielfalt jenseits der Großstädte«, sagte Stange. »Dafür müssen sie gerecht bezahlt werden.« Bisher ist das in den fünf Theatern und vier Orchestern zwischen Vogtland und Lausitz nicht der Fall. Vielmehr werden Gehälter gezahlt, die zehn bis 30 Prozent Prozent hinter dem Flächentarif zurückbleiben, teils bereits seit 1992. Grundlage sind Haustarife oder, wie die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) sagt, »Notlagen-Tarifverträge«. Deren Zahl sei in Sachsen so hoch wie in keinem anderen Bundesland.

Die sächsische Kulturstiftung stellte schon 2007 fest, Haustarife seien eine »Regel mit wenigen Ausnahmen« und hätten sich »als Falle erwiesen«, weil die Kluft zum regelmäßig steigenden Tarif unüberwindlich werde. Die Lücke war damals für das Theater Plauen-Zwickau auf 1,9 Millionen Euro beziffert worden, für Freiberg-Döbeln auf eine Million. Mitarbeiter erhalten im Gegenzug mehr Freizeit, worunter aber die künstlerischen Angebote litten.

Jetzt ist ein Ende der Misere absehbar - auch wenn die sieben Millionen Euro nach Ansicht der Linksfraktion nicht ganz reichen dürften: Franz Sodann, ihr kulturpolitischer Sprecher, verweist auf einen angemeldeten Bedarf der Theater in Höhe von zwölf Millionen Euro. Er macht auch auf einen weiteren Haken aufmerksam: Die Zuweisung des Landes, die formal an die Kulturräume geht und von diesen an die Theater und Orchester weitergereicht wird, erfolgt unter der Maßgabe, dass auch die Kommunen zusätzliches Geld locker machen; sie würden sich »mit einem Eigenanteil« beteiligen, sagt Ministerin Stange. Die Rede ist von 30 Prozent. Sodann hält es aber für fraglich, ob Städte und Kreise, die bisher dazu nicht in der Lage waren, »das jetzt können«. Dennoch begrüßt er den »Sinneswandel« des Landes, das bisher auf die Zuständigkeit der Kommunen gepocht hatte.

Auch die DOV lobt, dass die Regierung »endlich den Hebel umlegt und diese inakzeptable Gerechtigkeitslücke schließt«, wie Geschäftsführer Gerald Mertens formuliert. Er appelliert an die Kommunen, damit rund 30 Jahre nach der Wende »endlich angemessene Tariflöhne wie in den alten Bundesländern« gezahlt werden könnten.

Neben den 28 Millionen Euro für die Gehälter überweist das Land den Kulturräumen - Sachsen ist per Kulturraumgesetz in fünf ländliche und drei urbane Kulturräume aufgeteilt - weitere drei Millionen im Jahr. Ziel ist es, wie Stange sagte, auch bildende Kunst, Bibliotheken, Soziokultur, Film und andere Bereiche besser auszustatten. Der Betrag entspricht auffällig jenem, der seit einigen Jahren von den Kulturräumen für die landeseigene, in Radebeul beheimatete Landesbühne Sachsen berappt werden muss, was stets auf Unmut gestoßen war.

Bei der Novelle des Kulturraumgesetzes im März lehnten CDU und SPD die Übernahme der Kosten für die Landesbühne noch ab. Jetzt kommt die Entlastung durch die Hintertür - indem der unlängst bereits von 86,7 auf 94,7 Millionen Euro angehobene Etat für die Kulturräume noch einmal auf nun 97,7 Millionen erhöht wird. Der Landtag muss dem noch zustimmen.

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