»Völlig aufgebauscht«

Probleme bei der gesetzlichen Rentenversicherung gering / Betriebliche Rentenmodelle haben durch Negativzinsen Probleme

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Sozialforscher Gerhard Bosch hat die Debatte über Negativzinsen zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung als »völlig aufgebauschtes Problem« bezeichnet. Viel schlimmer seien die Negativzinsen für die betriebliche Alterssicherung.

Nach einem Bericht des »Handelsblatts« belastet die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zunehmend Sozialversicherungen. Sie müssen heute für angelegtes Geld Zinsen zahlen statt wie früher Zinsen zu bekommen. So habe die gesetzliche Rentenversicherung für 2017 erstmals sogenannte negative Vermögenserträge von 49 Millionen Euro ausweisen müssen, schreibt die Zeitung.

Der CDU-Sozialexperte Peter Weiß forderte daraufhin, Vorschriften für die Geldanlage durch Sozialversicherungen zu lockern. »Auch Anlagen in Immobilien sollten möglich sein«, sagte Weiß den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der rentenpolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Bundestag, Matthias Birkwald, fordert ein Verbot von Negativzinsen für Sozialkassen.

Ein solches Verbot sei durchaus machbar, so Gerhard Bosch von der Universität Duisburg-Essen. Allerdings verweist er auch darauf, dass die Belastung der Rentenversicherung durch die Negativzinsen sehr begrenzt ist. So habe die Rentenversicherung im vorigen Jahr 299 Milliarden Euro ausgegeben. Gemessen daran machen die Negativzinsen von 49 Millionen Euro einen Anteil von gerade einmal 0,016 Prozent aus.

Wegen des Umlagesystems könne die gesetzliche Rentenversicherung einen Großteil der Ausgaben aus den laufenden Einnahmen decken. Die Rücklagen, die angelegt werden müssen, seien also begrenzt. Deswegen spielen die Negativzinsen für die gesetzliche Versicherung eine vergleichsweise geringe Rolle. Viel schwieriger sei die Situation für die betriebliche Altersvorsorge. Denn dort müssen die kompletten Altersvorsorge-Beträge über viele Jahre angelegt werden. Hier müssten die Unternehmen hohe Rückstellungen bilden.

Deutschland trage im Übrigen eine wesentliche Mitverantwortung für die Negativzinsen: Die Eurokrise sei nur durch die Geldpolitik der EZB bewältigt worden. Wenn Deutschland mehr investiert und eine expansivere Fiskalpolitik betrieben und so die Eurokrise bekämpft hätte, »wäre es nicht zu Negativzinsen gekommen«, so Bosch.

Die Negativzinsen seien eine Art unbeabsichtigte Vermögenssteuer. »Es wäre besser gewesen, wenn die Politik tatsächlich eine Vermögenssteuer eingeführt hätte«, betont Bosch. Denn dann hätten sie zum Beispiel Freibeträge für geringe Ersparnisse beschließen können.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal