Scheindebatte oder pragmatische Notwendigkeit?

Innerhalb der CDU und auch der Linkspartei wird weiter über eine mögliche Zusammenarbeit im Osten gestritten

  • Lesedauer: 4 Min.

Die Debatte um eine mögliche Zusammenarbeit der Linkspartei mit der CDU im Osten erregt weiter die Gemüter. Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Chef Vincent Kokert hatte diesbezüglich jüngst vor einer »Verteufelung« der LINKEN gewarnt. Die Empörung in der Union über Äußerungen von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zu möglichen Koalitionen mit der LINKEN sei »ein wenig überzogen«, sagte Kokert gegenüber Medien am Montag.

Die Welt sei in Bewegung geraten, da sollten nicht ohne Not Gräben gezogen werden. »Deswegen bin ich dafür, dass man miteinander redet und einander nicht verteufelt«, so Kokert.

In Mecklenburg-Vorpommern sei das übrigens »gelebte Wirklichkeit«. »Das Verhältnis meiner Fraktionskollegen zu den Abgeordneten der Fraktion Die LINKE ist durchweg von gegenseitigem Respekt geprägt.« Politische Schnittmengen sehe er dennoch kaum, sagte Kokert. Ohnehin habe er die Äußerungen von Günther und dem brandenburgischen CDU-Vorsitzenden Ingo Senftleben nicht als Koalitionsangebot an die Linkspartei empfunden.

Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel hatte Bündnissen mit der Linkspartei dagegen eine scharfe Absage erteilt. »Ich befürworte keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei, und das schon seit vielen Jahren«, sagte sie am Montag in Berlin. Die Union werde alles dafür tun, dass bei den bevorstehenden Wahlen Regierungen ohne die LINKE und ohne die AfD gebildet werden könnten.

Derweil gehen auch bei der Linkspartei die Meinungen über eine mögliche Zusammenarbeit auseinander. Die LINKE in Sachsen sieht keine Option für eine Koalition mit der CDU. »Mit dieser sächsischen CDU ist kein Sozial- und Rechtsstaat zu machen - sie steht für Niedriglohnland, Vernachlässigung ländlicher Regionen, gegliederte Schule des 19. Jahrhunderts, Verharmlosung von Rassismus und rechten Umtrieben sowie für Arroganz der Macht und Grundrechtsabbau«, sagte Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linkspartei im Landtag, am Montag. Man werde nach der Landtagswahl 2019 nicht ins »koalitionäre Bett der CDU springen«, ergänzte Landesgeschäftsführer Thomas Dudzak: »Das ist eine Gespensterdebatte.«

Harald Wolf, Schatzmeister der LINKEN, wies Spekulationen über schwarz-rote Koalitionen ebenfalls weit von sich. Es handele sich hier um eine Debatte der CDU, nicht um eine der Linkspartei, sagte Wolf in Berlin. Er empfahl der Union, die zu einem guten Teil selbst schuld sei am Erstarken der AfD, für ihre Debatte zugleich eine Portion Realismus bei der Bewertung der LINKEN, statt in altbekannte Reflexe zu verfallen. Zu einer Kooperation von CDU und Linkspartei meinte Wolf, er wolle nicht über hypothetische Fragen spekulieren, die auf eine Situation zielten, die ebenfalls nur hypothetisch sei. Es gebe keine Schnittmengen zwischen LINKER und CDU. Ziel der LINKEN sei nicht, mit der CDU zusammenzuarbeiten, sondern möglichst stark zu werden, um auf diese Weise die AfD in die Schranken zu weisen.

Der frühere Vorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, verglich die Debatte wiederum mit der Annäherung von SPD und Linkspartei. Genauso habe es seinerzeit in der SPD begonnen, später sei es zu rot-roten Bündnissen in Ostdeutschland gekommen - »und nun bestreitet niemand mehr die Möglichkeit zu einer solchen Koalition auf Bundesebene«, sagte er der gegenüber Medien.Linksfraktionschef Dietmar Bartsch reagierte mit Befremden auf die Debatte. Die Totalverweigerung der Sachzusammenarbeit einiger Unionspolitiker mit der Linkspartei sei »ein Zeichen dafür, dass sie noch in den Schützengräben des Kalten Krieges liegen«, sagte er am Montag. In vielen Kommunal- und Landesparlamenten werde das in der Praxis zu Recht konterkariert.

Jörg Schindler, Bundesgeschäftsführer der Partei DIE LINKE, zu Günthers Überlegungen zur Zusammenarbeit von CDU und LINKE im Osten: »Es ist an sich löblich, wenn einem westdeutschen CDU-Politiker auffällt, dass die politische Landschaft im Osten Deutschlands anders aussieht. Aber solche Spekulationen sind Ausdruck der Verzweiflung und eine Folge der Bedeutungslosigkeit der SPD im Osten und helfen niemand weiter.
Ich sehe keine inhaltliche Grundlage für eine Zusammenarbeit. Die Linke steht für soziale Gerechtigkeit und für eine gute öffentliche Daseinsvorsorge. Die CDU ist dagegen als Lobby der Reichen und Konzerne für die zunehmende soziale Spaltung und damit auch für den Erfolg der AfD verantwortlich. Das passt einfach nicht zusammen.«

Die nächsten Landtagswahlen in Ostdeutschland finden im nächsten Jahr in Brandenburg, Thüringen und Sachsen statt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte am Wochenende eine Debatte über eine Zusammenarbeit von CDU und Linkspartei in Ostdeutschland ausgelöst. Agenturen/nd

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