Alles eine Frage des Eigentums

Katrin Rohnstock über eine neue Veranstaltungsreihe zur DDR-Wirtschaft

  • Lesedauer: 3 Min.

Nach zahlreichen Veranstaltungen mit DDR-Kombinatsdirektoren planen Sie nun eine Reihe, in der es um Eigentumsformen in der Wirtschaft geht. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Wir veranstalten seit sieben Jahren Gesprächssalons mit Generaldirektoren von zentralgeleiteten Kombinaten der DDR. Ein Thema, das oft auftauchte, war die 1972 erfolgte Verstaatlichung privater und halbstaatlicher Betriebe. Viele sehen darin den größten wirtschaftspolitischen Fehler der DDR, weil die Flexibilität kleiner Betriebe von Kombinaten nicht zu kompensieren war. Warum der Schritt erfolgte, konnte mir bisher niemand befriedigend erklären. Wir wollen dem nachgehen. Ein zweiter Grund: Viele der 1972 verstaatlichten Betriebe versuchten nach 1990 einen Neustart - und scheiterten am Markt. Wir wollen auch da nach Gründen fragen.

Katrin Rohnstock

Die Germanistin Katrin Rohnstock (57) war zunächst als Autorin tätig, bevor sie 1998 das Unternehmen »Rohnstock Biografien« gründete. Es ermöglicht das Bewahren von persönlichen oder familiären Lebenserinnerungen. Zudem werden Erzählsalons veranstaltet, in die in den vergangenen Jahren auch Direktoren von DDR-Kombinaten eingeladen waren. Mit ihr sprach Hendrik Lasch.

Foto: Rohnstock Biografien

Wen haben Sie zu den Veranstaltungen eingeladen?

Unternehmer, die mit unterschiedlichen Eigentumsformen an Produktionsmitteln gearbeitet haben: Direktoren von Kombinaten und Betrieben, Eigentümer privater Unternehmen, Vorsitzende von Genossenschaften, Leiter kommunaler Unternehmen. Darunter sind Menschen, die Erfahrungen im Osten vor und nach 1989 gesammelt haben, aber auch solche, die in der freien Marktwirtschaft sozialisiert sind. Es geht darum, viele unterschiedliche Erfahrungen zusammenzutragen.

Sie richten fünf thematische Veranstaltungen in Berlin aus, in denen es um Grundsätzliches geht, danach in Sachsen vier zu verschiedenen Branchen. Warum die Teilung?

Wir wollen zunächst einige wichtige Kriterien für die Bewertung von Wirtschaft darauf abklopfen, wie sie mit verschiedenen Eigentumsformen umzusetzen sind. An diesem Dienstag geht es um Leistung, Konkurrenz und Wettbewerb. In den nächsten Runden fragen wir nach Innovationsfähigkeit, Orientierung am Gemeinwohl und Planung. Der Frage von Geld, Gewinnen, und was mit diesen geschieht, wollen wir am 30. Oktober nachgehen. Danach nehmen wir mehrere Branchen in den Blick: als erste die Musikinstrumentenherstellung, in der die DDR zum Teil führend am Weltmarkt war - und in der es bis 1972 auffällig viele private Unternehmen gab. Danach geht es um die Textil- und um die Holzspielzeugbranche. Zudem werden wir über Konsumgenossenschaften reden. Wir haben jeweils ein halbes Dutzend Experten eingeladen.

Die Veranstaltungen werden als »Erzählsalons« ausgerichtet. Was heißt das?

Unsere Gäste erzählen in lockerer Runde ihre Geschichten und Erfahrungen; das Publikum ist eingeladen, sich zu beteiligen. Wir wollen keine Vorträge in Fachchinesisch. Wir setzen zwar auf die bewährte wissenschaftliche Begleitung des Wirtschaftshistorikers Jörg Roesler. Es ist jedoch eine Lehre aus der Finanzkrise, die sehr viele Menschen verunsicherte und gegenüber der Finanz- und Wirtschaftswelt skeptisch machte, dass Wirtschaft verständlich und transparent dargestellt werden muss, statt Menschen mit Begriffen wie DAX, Derivate oder Stock Options zu verwirren. Das Anliegen teilt auch die Bundeszentrale für politische Bildung, die unsere Reihe fördert. Festhalten wollen wir die Beiträge in einem Buch. Dort wird man Erzählungen der Zeitzeugen nachlesen können - in sprachlich bearbeiteter, komprimierter Form. Für das Verfassen von spannenden Texten aus mündlichen Erzählungen sind wir Spezialist.

Sie erhoffen sich von der Reihe einen »Beitrag zur Geschichte der Eigentumsformen«, die auch Lehren für die Zukunft vermittelt. Also: die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen?

Zunächst: Uns geht es um die DDR-Zeit ab den späten 1960ern bis Mitte der 1990er Jahre; alles jenseits dessen wäre vermessen. Was die Bewertung anbelangt: Wir werden sehen, was die Beiträge zutage fördern. Es gibt Politökonomen, die sagen, dass sich an der Eigentumsfrage die Zukunft entscheidet.

Die erste Veranstaltung findet am 16. Oktober ab 18 Uhr in der Schönhauser Allee 12 in Berlin statt. Anmeldung unter: info@rohnstock-biografien.de. Alle Veranstaltungen und Termine unter: www.rohnstock-biografien.de/ wirtschaft-erzaehlt

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