Almas Cinderella tanzt!

Das vierte israelisch-deutsche Festival im Radialsystem führt Alma Deutschers »Cinderella-Ballettsuite« auf

  • Karin Schmidt-Feister
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das hat sie alles selbst geschrieben!«, ruft ein Mädchen vor mir in der Reihe voller Begeisterung, als die junge Komponistin Alma Deutscher im hellen Kleid zum Schlussbeifall in die Reihe ihrer gleichaltrigen Protagonisten tritt. Das vierte israelisch-deutsche ID-Festival widmete sich am Wochenende dezidiert der Theater-, Tanz-, und Musikproduktionen der »next generation«. Ein Höhepunkt war zweifellos die Berliner Uraufführung der »Cinderella-Ballettsuite« der jungen britischen Komponistin Deutscher, interpretiert von der Kinder Ballett Kompanie Berlin und in der Choreografie von David Simic.

Alma Deutscher ist ein Ausnahmetalent: Sie begann als Zweijährige mit dem Klavierspiel, gefolgt von Geige und Komposition. Als Solistin spielte sie ihr eigenes Violin- und Klavierkonzert mit renommierten Orchestern. Auch als Komponistin fühlt sie sich in ihrem Element: Die junge Britin Alma Deutscher, geboren 2005, komponierte zwischen 2013 und 2016 ihre erste abendfüllende Oper »Cinderella«, die 2016 im Opernstudio der Wiener Staatsoper uraufgeführt wurde. Und wagt mit ihr einen innovativen dramaturgischen Kunstgriff: Alma Deutscher wertet die Märchenfiguren kräftig auf. Hier muss nicht nur der Schuh zum Fuß passen: Almas Cinderella (Sopran) ist nicht nur schön, sondern auch klug, sie komponiert und der Prinz (Tenor) ist nicht nur schön, sondern klug, er ist ein Poet.

In Deutschers Version finden im dramatischen Geschehen letztlich auch Lyrik und Musik zueinander. Musik und Text gehen in ihrem Opernerstling eine großartige mehrfache Symbiose ein. Die britische Komponistin plädiert mit überzeugendem Selbstvertrauen für eine melodische Musiksprache, die zum Herzen raunt. Ihre poetische Märchenwelt assimiliert spielerisch Traditionslinien der musikalischen Romantik mit ihren eigenen Klangerfindungen.

Deutscher fühlt sich Mozarts älterer Schwester Nannerl verbunden, die auch musizierte und komponierte, doch als Mädchen nicht gefördert wurde. Mit ihrem pinkfarbenen Springseil, einer Art Fetisch, so erfährt man aus der BBC-Dokumentation »Finding Cinderella«, fängt sie die Töne ein und lässt die Melodien singen und tanzen. Verblüffend, wie sie musikalische Charaktere entwickelt, Melodien, deren Motive ganz einem poetisch-dramatischen Story-telling verpflichtet sind.

Genau das gelingt der »Cinderella-Ballettsuite« jedoch nicht. Die bloße Herauslösung von fünf musikalischen Teilen der Oper scheint den eigenen Bemühungen von Deutscher um Musikdramatik entgegen zu wirken: Der musikdramatische Faden geht dadurch verloren.

Das elfköpfige Orchester unter der musikalischen Leitung von Omer Frenkel beginnt mit leiser Violine, blüht gleichsam auf, atmet melancholisch-schwermütig und schwelgt im Walzertakt. Die Figuren, reduziert auf Cinderella, Prinz, Stiefschwestern und junge Tänzerinnen auf dem Ball, haben wenig musikalischen wie tänzerischen Gestaltungsraum. Sie bleiben Schablonen. Der Choreograph bebildert unter Einbeziehung von Videofilmen nur schlaglichtartig und von Alma Deutschers Philosophie der Cinderella-Oper ist in dieser altbacken platten Ballettvariante im Zeitraffer bis zur gegenseitigen Krönung im Finale nichts übriggeblieben.

Die Liebe zwischen dem Prinzen (Dayo Kramer) und der leichtfüßig tanzenden Cinderella (Josephina Mackensen) bleibt Behauptung, da im tänzerischen Miteinander sich nichts entwickelt. Die jungen Frauen des Ensembles verfügen erfreulicherweise aber über ein beachtliches Können, Ausstrahlung und Natürlichkeit. Sie interpretieren den klassischen Bewegungskanon auf Spitze mit weichen Armführungen und musikalischer Homogenität.

Die Kinder Ballett Kompanie Berlin wurde 2016 vom ehemaligen Staatsballetttänzer und Choreographen David Simic gegründet und bietet - unterstützt von Förderern und Partnern wie dem Staatsballett Berlin, der Deutschen Oper und dem FEZ - seither Kindern zwischen sechs und 18 Jahren Ballettunterricht und Auftrittsmöglichkeiten. Jährlich erarbeiten die jungen Hobby-Tänzerinnen und Tänzer eine Neuproduktion für ein Kinderpublikum. Ein fantasievolles Divertissement zu Tschaikowskis »Nussknacker« war im Radialsystem schon neu zu bestaunen. Beflügelt vom Musikarrangement und bezaubernder choreographischer wie kostümlicher Formgebung feierte die Tanzkunst auf halber Spitze bis zum Rosenwalzer ein Fest.

Eine Sternstunde jugendlicher Kreativität, gezündet von Alma Deutscher, von der wir vielleicht in Zukunft eine ganz neue Ballettkomposition geschenkt bekommen.

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