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Gestalterisches Potenzial

Dietmar Enderlein berichtet über seine zwei Leben - in der DDR und in der Bundesrepublik

  • Franziska Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine große Ehre ist Dietmar Enderlein zuteil geworden. Horst Klinkmann, Koryphäe für Dialyse und künstliche Nieren, langjähriger Professor für Innere Medizin an der Universität Rostock, Direktor der dortigen Klinik für Inneres und letzter Präsident der Akademie der Wissenschaften der DDR, schrieb das Vorwort zu dessen Erinnerungsbuch. 1992 hatte eine »Ehrenkommission« dem international anerkannten Wissenschaftler Klinkmann »mangelnde persönliche Eignung« attestiert und ihn entlassen. Ein Skandal ohnegleichen.

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Dietmar Enderlein: Kraft für zwei Leben. Autobiografie.
Das Neue Berlin. 143 S., geb., 14,99 €.

So verwundert es auch nicht, dass der weltberühmte Mediziner im Vorwort, nicht auf sich bezogen, sondern generell für zahlreiche Ostdeutsche, kritisiert, »welch gestalterisches Potenzial der Umbruchsphase« in der DDR nach der deutschen Vereinigung ignoriert, »wie fahrlässig damit umgegangen wurde - sei es aus persönlichem Neid oder politischer Kurzsichtigkeit«. Dies betraf auch den Autobiografen.

Enderlein, geboren in Plauen 1943, langjähriger Dozent an der Militärmedizinischen Sektion der Universität Greifswald, ab 1988 deren Chef und 1990 Gründer der Medgreif GmbH, eines der größten ostdeutschen Gesundheitskonzerne, mit dem er 700 Arbeitsplätze in der Zeit des westdeutschen Kahlschlags in Ostdeutschland rettete, hat Mitte der 1990er Jahre gleichfalls Rufmord erlitten. Es begann mit tollkühnen, gezielt gestreuten Gerüchten, seine Firma würde Giftgas produzieren und in den Irak verkaufen. Bei diesem ungeheuerlichen, aus der Luft gegriffenen Vorwurf blieb es nicht. Hinzu gesellte sich die Behauptung, er habe sein Unternehmen mit Geld aus »dubiosen Quellen« aufgebaut, mit aus nach Schweden verschobenem SED-Vermögen. Zudem soll er die Liegenschaft der früheren Greifswalder Militärmedizinischen Sektion zu preisgünstig erworben und sich ein Gästehaus der NVA widerrechtlich unter den Nagel gerissen haben. »Kein einziger Vorwurf erwies sich als wahr - jeder einzelne war erstunken und erlogen.« Die ZERV stellte letztlich die Ermittlungen ein, die den zu Unrecht Beschuldigten und seine Mitarbeiter freilich Nerven geraubt und Medigreif erhebliche wirtschaftliche Verluste beschert hatten. Enderleins Erfahrungen sind exemplarisch für die von ostdeutschen Unternehmensgründern. Abschließend bedankt er sich aber: »Ohne die vielen - auch hier nicht genannten - Freunden, die mich uneigennützig unterstützt, gestärkt, beraten, aufgerichtet und ermutigt haben, hätte ich nicht in zwei Gesellschaftssystemen Erfolg haben können - zunächst als Arzt und Offizier in der DDR und später als Mediziner und Unternehmer im geeinten Deutschland.«

Mitten im Krieg im Turm des Plauener Schlosses geboren, ohne Königskind zu sein, hat er sein über den Dienst auf Usedom und Studium an der Leningrader Militärakademie führendes Leben konsequent und aufrecht gestaltet. Er braucht sich seiner Biografie nicht zu schämen. Wie so viele nicht.

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