Auf Kohle gebaut

Gastgeber Polen sorgt bei der UN-Klimakonferenz in Katowice nicht nur wegen des Sponsorings fossiler Energiekonzerne für Befremden

  • Friederike Meier, Katowice
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon vor der feierlichen Eröffnung der Klimakonferenz in Katowice am Sonntagabend war das Gastgeberland Polen bei vielen Klimaschützern in Ungnade gefallen. Es wurde nämlich bekannt, wer die Großveranstaltung sponsert: die polnischen Kohlekonzerne PGE, Tauron, JSW und der Gaskonzern PGNiG. »Das wirft die Frage auf, welchen Zugang und Einfluss die Sponsoren sich erkaufen«, schimpfte Sriram Madhusoodanan von der konzernkritischen Organisation Corporate Accountability. »Es könnte die Legitimität der Verhandlungen in Frage stellen.«

Noch immer ist die Kritik auf der bis Freitag kommender Woche gehenden Konferenz nicht verstummt: »Es ist lächerlich, dass die Regierung die Unterstützung der Kohlekonzerne akzeptiert«, sagt Anna Ogniewska von Greenpeace Polen. »Aus unserer Sicht ist das ein Kohle-Gipfel.«

Das polnische Umweltministerium sieht das ganz anders: »Alle diese Unternehmen betonen, dass sie seit Jahren umweltfreundliche Veränderungen eingeführt haben«, schreibt das Ministerium auf nd-Anfrage. Auch gebe es zahlreiche Sponsoren, die keine Kohlekonzerne seien, wie T-Mobile Polska oder Ikea. In einer halbseitigen Auflistung zählt das Ministerium die ökologischen Errungenschaften der Sponsoren auf: Zum Beispiel habe Tauron, zweitgrößter Energiekonzern im Land, 23 Carsharing-Stationen und 20 Elektroautos in Katowice zur Verfügung gestellt. Dass die Regierung sich so für die Unternehmen einsetzt, überrascht kaum, denn Tauron wie die anderen Energiekonzerne gehören teilweise dem Staat. Polen ist noch immer stark von der Kohle abhängig - derzeit kommen 78 Prozent des Stroms aus dieser Quelle.

Auf die Frage, ob die Kohlekonzerne durch ihre Sponsorenrolle die Verhandlungen beeinflussen, reagiert das Umweltministerium etwas verschnupft: »Die Auswahl der Partner beeinträchtigt den Erfolg des Klimagipfels nicht.« Polen habe in den vergangenen 30 Jahren seine Emissionen reduzieren können, obwohl die Wirtschaft gewachsen sei. Das Land sei ein vertrauenswürdiger Gastgeber.

Die gleiche Argumentation verwendete auch Präsident Andrzej Duda am Montag bei der offiziellen Eröffnung des Gipfels. Für ihn ist die Verwendung der »heimischen Ressourcen«, also der Kohle, auch kein Widerspruch zum Klimaschutz. Wesentlich deutlicher wurde Duda am Dienstag bei einem Treffen mit Kumpeln im südpolnischen Brzeszcze, wo er laut Medienberichten sagte: »Solange ich Polens Präsident bin, werde ich es nicht zulassen, dass der polnische Bergbau ermordet wird.«

Anna Ogniewska ist aber auch entsetzt über die Aussagen vor den UN-Klimadiplomaten: »Es war schockierend zu hören, dass er an diesem Ort diese Rede gehalten hat.« Die Umweltschützerin weist auf den »riesigen« Unterschied zur Rede von UN-Generalsekretär António Guterres hin, der darauf pochte, dass die Staaten ihre Anstrengungen für den Klimaschutz enorm verstärken.

Der kurz vor der Konferenz veröffentlichte Entwurf für eine neue polnische Energiestrategie ist etwas ehrgeiziger als frühere Pläne der Regierung. So soll der Kohleanteil an der Stromproduktion einschließlich Kraft-Wärme-Kopplung bis zum Jahr 2030 auf etwa 60 Prozent und bis 2040 auf 30 Prozent gesenkt werden. Vorher war von 50 Prozent Kohle noch im Jahr 2050 die Rede gewesen. Allerdings: Die Kohle soll ab 2030 vor allem durch Atomenergie ersetzt werden - eine Strategie, an der Beobachter indes zweifeln, denn neue Atomkraftwerke sind heute meist unrentabel.

Aber auch ohne diese Unsicherheit reichen Ogniewska die Reduktionsziele bei Weitem nicht. »Laut dem 1,5-Grad-Bericht des Weltklimarats müssen alle OECD-Länder - und damit auch Polen - bis 2030 aus der Kohle aussteigen«, sagt die Greenpeace-Expertin.

Gleichzeitig macht es die nationalkonservative Regierung Kritikern ihrer Klimapolitik schwer zu protestieren. So wurden lange im Vorfeld des Gipfels spontane Demonstrationen während der Dauer der Veranstaltung gesetzlich verboten. Außerdem hat die Regierung die Terror-Alarmstufe für die Region Schlesien verkündet. Angemeldete Demonstrationen sind aber möglich. Am Samstag wollen Klimaaktivisten dann auch im Katowicer Zentrum ihren Protest lautstark kundtun.

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