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- Nahverkehrskrise in Berlin
Nahverkehrskrise bringt das Abgeordnetenhaus in Rage
Senat kündigt Investitionen von 28 Milliarden Euro in 15 Jahren für Nahverkehr an / Opposition kritisiert in Debatte Zustand der Koalition
Der Titel konnte kaum sperriger formuliert sein. »Zurückbleiben bitte: Umfragetief lässt SPD am Rad drehen. Querschüsse gegen BVG und Koalitionspartner statt Lösungsvorschläge zu Berlins Nahverkehrskrise« lautete am Donnerstag das Thema der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus, die die CDU-Fraktion beantragt hatte. Statt um die großen Probleme des Öffentlichen Personennahverkehrs ging es der Opposition denn auch weniger um die aktuelle Verkehrskrise vor allem bei der BVG, sondern oft eher um eine Generalabrechnung mit Rot-Rot-Grün.
Der Verkehrsexperte der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, sagte in der Debatte: »Die rot-rot-grüne Koalition probt die Wiederaufstehung der DDR - das muss ein Ende haben.« Außerdem warf er der SPD vor, von der eigenen Verantwortung bei der Verkehrspolitik in der Vergangenheit ablenken zu wollen. Rot-Rot-Grün sei von »Überforderung, Überlastung, Unfähigkeit und Streit in der Koalition« gekennzeichnet, so Friederici.
Auch die AfD bezog sich in ihrem Diskussionbeitrag auf die SPD-Fraktionsklausur in Warnemünde vom vergangenen Wochenende und die dort geäußerte Kritik der SPD an den Verantwortlichkeiten der Grünen für die Krisen bei der BVG.
»Dass die SPD sich einmal pro Jahr auf einer Klausur schlecht benimmt, das wissen wir doch«, brachte der LINKEN-Abgeordnete Harald Wolf das Abgeordnetenhaus zum Lachen. Der verkehrspolitische Sprecher der Sozialisten warf der Opposition vor, keinen »substanziellen Beitrag« zur Debatte geleistet zu haben. »Weil sie die Welt nur durch die Windschutzscheibe betrachten«, so Wolf. Dabei sei die Verkehrspolitik kein Thema für parteipolitische Profilierungen. Damit zielte der LINKEN-Politiker unter anderem auf den Sparkurs der Nuller Jahre ab, der damals von allen im Parlament vertretenen Parteien mitgetragen wurde und zu den heutigen Problemen beigetragen hat. Dass in die BVG, die S-Bahn und den regionalen Bahnverkehr dringend investiert werden muss, bestritt in der Debatte auch die Opposition nicht. Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) kündigte an, in den nächsten 15 Jahren rund 28 Milliarden Euro in den Bereich investieren zu wollen. Ziel sei ein »hochattraktiver Nahverkehr«, der leiser, mobiler, smarter, sicherer und gesünder sei, so Günther.
Die genauen Pläne sollen in Kürze mit dem neuen Nahverkehrsplan vorgelegt werden. Zentraler Baustein ist die »vollständige« Modernisierung des Fuhrparks. So soll unter anderem der U-Bahn-Fuhrpark bei der BVG erweitert und ein landeseigener Fahrzeugpool bei der S-Bahn aufgebaut werden. Weitere neue Fahrzeuge werden für die Straßenbahnflotte angeschafft. Darüber hinaus soll die Busflotte der BVG bis 2030 elektrisch fahren.
Da die Anschaffungen allerdings noch einige Jahre auf sich warten lassen werden, forderten Abgeordnete der Senatskoalition, jetzt weitere Maßnahmen umzusetzen. So soll unter anderem mehr Personal für die BVG eingestellt und die Mitarbeiter besser bezahlt werden. Dass der Krankenstand stark gestiegen sei, liege »mit Sicherheit auch an den hohen Belastungen, der die Fahrer ausgesetzt sind«, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Harald Moritz. »Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das Rückgrat jedes Unternehmens - die BVG muss sich fragen, ob sie die ausreichend berücksichtigt«, sagte der SPD-Verkehrsexperte Tino Schopf.
Blieb am Ende die Erkenntnis, dass die Verkehrsprobleme noch länger auf der Agenda stehen dürften. »Es ist zentral, dass die Vergaben für die bestellten Züge zügig vorangebracht werden, damit die Züge 2021 zur Verfügung stehen«, sagte Harald Wolf.
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