Neue Mitte für Tempelhof

Der Berliner Bezirk baut sein Stadtquartier um.

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Zentrum von Tempelhof hat eine Menge zu bieten: Idyllische Parks mit Ententeichen, eine alte Dorfkirche, ein Schwimmbad, eine Bibliothek und die charmante Kleingartenkolonie Feldblume. Doch das Quartier macht einen in die Jahre gekommen Eindruck. Öffentliche Einrichtungen wie die Polizeiwache und das Bezirksamt wirken heruntergekommen, Freiflächen werden als Parkplatz und Imbissbudenstandort genutzt und der vielbefahrene Tempelhofer Damm macht insbesondere zu Stoßzeiten einen längeren Aufenthalt zum Gesundheitsrisiko.

So kann es nicht weiter gehen, dachten sich der rot-rot-grüne Senat und die zuständige Bezirksregierung. Anstatt Gelder sinnlos in die Sanierung überholter Gebäudekomplexe zu stecken, braucht Tempelhof etwas Ambitionierteres. Soll heißen: Die städtebauliche Neuordnung des insgesamt 62 Hektar großen Areals.

Unter dem Projektnamen »Neue Mitte Tempelhof« soll das Gebiet in den kommenden Jahren komplett neu gestaltet und »fit für die Zukunft« gemacht werden, wie es der Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann (Grüne), ausdrückt. In der vergangenen Woche gaben Senat und Bezirk bei einer Pressekonferenz den offiziellen Startschuss für das Vorhaben. »Das Projekt bietet die einmalige Chance, für Tempelhof eine neue Identität zu schaffen«, frohlockt Oltmann. Und das »indem wir ein integriertes Stadtquartier völlig neu entwerfen können und die soziale, kulturelle und sportliche In᠆frastruktur neu bauen.«

Konkret sieht das Projekt den Abriss der Polizeiwache in der Götzstraße sowie deren Neubau an anderer Stelle im Kiez vor. Auch die bei Anwohnern beliebte Bezirksbibliothek sowie das Schwimmbad sollen peu à peu verschwinden und neu wieder aufgebaut werden. Zudem soll das Bezirksamt in ein neues Kultur- und Bildungszentrum am Tempelhofer Damm integriert, das historische Rathaus durch Anbauten erweitert und - darauf legt der Senat besonderen Wert - etwa 500 Wohnungen neu gebaut werden. Die Grünflächen will man generalüberholen, die Kleingartenkolonie Feldblume darf bis auf ein paar Parzellen bleiben und auch für die Verkehrssituation am Tempelhofer Damm will man Lösungen finden. Kosten soll das ambitionierte Vorhaben nach momentanem Planungsstand etwa 185 Millionen Euro. Die Neubaumaßnahmen sollen 2021 beginnen, das Ende ist für 2030 geplant.

Da die freien Flächen allesamt dem Land Berlin gehören, werden es sehr wahrscheinlich kommunale Wohnungsbaugesellschaften sein, die dort bauen dürfen. Wohnenstaatssekretär Sebastian Scheel (LINKE) kommt ins Schwärmen: »Mit der ›Neuen Mitte Tempelhof‹ schaffen wir nicht nur zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum auf landeseigenen Flächen, sondern durch den Neubau der Infrastruktureinrichtungen auch ein weit über das Quartier hinaus ausstrahlendes kulturelles und soziales Zentrum.« Bei der Vergabe der Baurechte werde man strikt darauf achten, dass die Mietwohnungen zu 50 Prozent Sozialwohnungen sind und die andere Hälfte eine Miete von zehn Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. Für einen innerstädtischen Bezirk wie Tempelhof wäre das überaus günstig. »Wir wollen eine soziale Nachverdichtung mit Augenmaß«, sagt Bezirksstadtrat Oltmann.

Die »Neue Mitte Tempelhof« ist eines von vierzehn beschlossenen Stadtquartieren, die der Senat in Kooperation mit den jeweiligen Bezirksämtern schnellstmöglich entwickeln will. Während sich die meisten davon in Neubaugebieten in städtischen Randlagen befinden, liegt das Zentrum Tempelhofs Mitten in der City. »Die ›Neue Mitte Tempelhof‹ ist ein Leuchtturmprojekt«, sagt die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD). Man sei durch die zentrale Lage Tempelhofs in der komfortablen Situation, dass die ÖPNV-Anbindung des neuen Quartiers schon gegeben sei. Außerdem könne man die Infrastrukturbauten wie Polizei, Schwimmbad und Bibliothek in aller Ruhe fertigstellen, bevor man die alten Gebäude abreiße, um an diesen Standorten neue Wohnungen zu bauen, sagte Schöttler.

»Die Akzeptanz der Bürger ist uns wichtig«, sagt Oltmann. Damit das auch gelingt, hat das Bezirksamt das Planungsbüro S.T.E.R.N mit ins Boot geholt. Das Team ist erfahren im Bürgerdialog und soll als Gebietsbeauftragter die Akteure koordinieren. »Neben den Eigentümern sowie Händlern am Tempelhofer Damm wollen wir auch die Nutzer der sozialen Einrichtungen und die im Rathaus und umliegenden Büros Beschäftigten einbeziehen«, sagt Projektleiterin Heike Pfeiffer.

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