• Berlin
  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Die Devise lautet abwarten

Mit formellen Beschlüssen zur Sozialisierung von Wohnungskonzernen halten sich SPD, Grüne und ver.di zurück

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Sonnabend startet die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« offiziell ihre Unterschriftensammlung für ein entsprechendes Volksbegehren. Sie stößt damit in der Stadt auf große Resonanz. Die drei Parteien der rot-rot-grünen Koalition ziehen dabei aber nicht an einem Strang. Nur die LINKE hat sich eindeutig zu dem Volksbegehren bekannt und aktive Unterstützung angekündigt. Bei SPD und Grünen gibt es dagegen innerparteiliche Auseinandersetzungen über die Initiative, und auch die Gewerkschaften, die den »Mietenwahnsinn« eigentlich als ein zentrales soziales Thema behandeln, halten sich weitgehend bedeckt.

Die SPD hat einen Beschluss zu dem Volksbegehren auf ihrem Landesparteitag am vergangenen Wochenende schlicht verschoben - auf den Herbst. Zuvor hatten sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) - wie von Wirtschaftsverbänden energisch gefordert - eindeutig gegen die Initiative ausgesprochen, die aber von Teilen der Basis und besonders von den Jungsozialisten unterstützt wird.

Die Grünen tun sich ebenfalls schwer mit einer klaren Aussage. Obwohl die Unterschriftensammlung am Sonnabend beginnt, werde das Volksbegehren auf dem gleichzeitig stattfindenden Landesparteitag der Grünen kein Thema sein, erklärte eine Sprecherin des Landesvorstands dem »nd«. Auf einer Sitzung des Landesausschusses, an dem auch Vertreter der Initiative teilgenommen hatten, habe es zwar »große Sympathien für deren Anliegen gegeben«, einen formellen Beschluss habe man aber nicht gefasst. Sogar der traditionell zum linken Flügel der Partei zählende Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg bleibt lieber in Deckung. »Von der Stimmung und den Wortmeldungen her konnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass eine Mehrheit unserer Mitglieder hinter der Initiative steht«, schildert Vasili Franco vom geschäftsführenden Ausschuss des Kreisverbandes gegenüber »nd« eine Diskussion in der Ortsgruppe. »Es ist aber unüblich, dass Kreisverbände formale Beschlüsse fassen, die über die Belange des eigenen Bezirks hinausgehen.«

Katrin Schmidberger, die in dem Bezirk aktiv ist und als wohnungspolitische Sprecherin im Abgeordnetenhaus sitzt, gab sich am Mittwoch auf nd-Anfrage überzeugt, dass ihre Partei das Volksbegehren trotz »einiger weniger Kritiker« unterstützen werde. Zu denen gehört auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, die in Interviews zwar Verständnis für das Anliegen der Initiative äußerte, aber davor warnte, den Begriff Enteignung leichtfertig in den Mund zu nehmen, da das Grundgesetz auch das Eigentum schütze.

Wenn für das Volksbegehren die erste Hürde der 20 000 notwendigen Unterstützerunterschriften genommen sei, sei es an der Zeit, »dass wir uns dafür aussprechen, dass wir uns dann mit der Initiative - die Fraktion oder auch der Senat - an einen Tisch setzen und versuchen, ein Gesetz zu entwickeln«, erklärt Grünen-Landeschef Werner Graf. Die Frage des weiteren Umgangs mit dem Thema Vergesellschaftung müsse dann geklärt werden. Im Mai soll es einen Parteibeschluss dazu geben, so Graf.

Ob die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. in absehbarer Zeit eine Empfehlung zu dem Volksbegehren aussprechen wird, ist unklar. »Das wird bei uns breit und auch kontrovers diskutiert, denn es gibt ja auch gewichtige Argumente, die dagegen sprechen«, so Sprecher Andreas Splanemann. »In der jetzigen Phase wird sich der Landesbezirksvorstand da wohl nicht positionieren«. Vielen Mitgliedern bereite der Begriff »Enteignung« einige Bauchschmerzen.

Der bei ver.di für Wohnungswirtschaft zuständige Landesfachbereichsvorstand hat sich in einem Beschluss derweil klar für die Unterstützung der Initiative ausgesprochen und ruft seine Mitglieder dazu auf, sich an dem Volksentscheid zu beteiligen. Durch die Profitorientierung großer Immobilienunternehmen und die damit verbundenen Mietsteigerungen ins Unermessliche könnten sich immer weniger Menschen das Wohnen in Berlin leisten, so der zuständige Landesfachbereichsleiter Benjamin Roscher am Mittwoch. »Die Enteignung dieser Immobilienunternehmen kann ein Schritt hin zu einer sozialen Wohnungspolitik des Landes Berlin sein.« Demnach werden sich sowohl der Bezirks- als auch der Landesbezirksvorstand »zeitnah mit der Thematik der dramatischen Wohnungsnot in Berlin befassen«.

Beim ver.di-Bundesvorstand wollte man sich zum Volksbegehren hingegen nicht äußern. Dies sei Angelegenheit des Landesbezirks, hieß es lapidar auf Anfrage.

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